Der Staatsdiener

Der VorgängerMichael Birkholz war als Leiter der Bremer Rechtsmedizin am Brechmitteleinsatz gegen Laye Condé beteiligt. Seitdem hasst ihn die Linke

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Auf introvertierte Menschen lässt sich leicht was projizieren. Auch negative Gefühle. Und Michael Birkholz – sagen wir es so: Ein echter Showtyp ist der langjährige Leiter der Bremer Rechtsmedizin trotz zahlloser Auftritte vor Gericht nie geworden. Den Kontakt zu den Medien hat er eher als notwendiges Übel gepflegt, wenn er ein fachliches Anliegen hatte: Und so stand er natürlich bereit, als der SWR ein großes Radiofeature über Rechtsmedizin in Deutschland brachte, in dem es vor allem um die Idee der „qualifizierten Leichenschau“ ging.

Denn die qualifizierte Leichenschau, das ist sein Baby. Dafür engagiert er sich schon seit Jahren, und an der Klinik in Delmenhorst, an der jahrelang Menschen vom Pfleger unerkannt ermordet worden waren, hat er sie jetzt auch etablieren dürfen, als Pilotprojekt, wobei er mit der hannoverschen Medizinischen Hochschule kooperiert. Es ist klar, dass die Qualität der Leichenschau in Deutschland schlecht ist, das sie flüchtig, ungenau ist und ihre Ergebnisse manchmal kurios verkehrt ausfallen, sodass sie wohl viele Verbrechen und Pflegefehler übersieht. Das zu ändern ist ein Antrieb für Birkholz. Und dann würde sie auch der Rechtsmedizin eine unerschöpfliche Geldquelle erschließen, „eine riesige Chance für unser Fach“, hat er das im SWR genannt.

Dass sie jetzt kommen wird, und auch noch zuerst in Bremen, das macht ihn stolz, einerseits. Und zugleich hat es auch etwas von einer persönlichen Kränkung, dass die Gesundheitsbehörde dafür jetzt ausgerechnet mit Professor Püschel aus Hamburg zusammengehen will, mit dessen Renommé ihm immer mal wieder gedroht wurde, wenn der Staatsanwaltschaft sein Gutachten nicht gefiel. Das nervt, wenn man von dem Medienliebling fachlich – sagen wir mal vorsichtig: nicht restlos überzeugt ist. Als Kumpel darf man sich die beiden nicht gerade vorstellen.

Und dann ist er auch noch Ossi, Mecklenburger, und Bremen ist ja immer sehr tolerant und so, aber diese Ossis, naja, die sind – irgendwie anders. Anders sozialisiert. Obrigkeitshörig. Auch in Westdeutschland sind die Leute nicht alle antiautoritär, aber grundsätzlich verachtet wird: Untertanengeist. Gerade Westlinke sehen sich selbst mehr so umstürzlerisch, sogar noch, wenn sie längst durch die Institutionen zackig an deren Spitze marschiert sind. Und Bremen war, als Birkholz 1987 aus dem Sozialismus und Schwerin rübergemacht hatte, eine durch und durch linke Stadt.

Dass Birkholz dort mit einer ans rechtsmedizinische Institut angedockten ärztlichen Eingreiftruppe, dem „Ärztlichen Beweissicherungsdienst“, als Dienstleister für die Polizei rund um die Uhr Blutentnahmen und Schnelluntersuchungen auf Honorarbasis anbot – von einer Viertelmillion Umsatz pro Jahr war die Rede – hatte ihn für manche zur anrüchigen Gestalt werden lassen, lange bevor 2005 Laye Condé unter dem Verdacht, ein Dealer zu sein, festgenommen wurde und an den Folgen eines Brechmittel-Einsatzes starb. Seither ist er natürlich erst recht unten durch. Ein Hassobjekt, an dem sich der gesamte gerechte Zorn entladen konnte.

Wenn es einen Schuldigen gibt, braucht sich niemand zu entschuldigen. Niemand muss nach der Beteiligung von Senat und Justiz fragen oder gar nach den vielen niedergelassenen Ärzten, beste Stadtgesellschaft, die vor 1995 den Exkorporationsbedarf der Polizei in eine Praxis umsetzten, die laut Europäischem Gerichtshof für Menschenrechte als „unmenschliche und erniedrigende Behandlung“ zu gelten hat.

„Wir hatten eine andere Sozialisation, im Osten“, sagt Birkholz. Man habe drüben „gelernt, dass, wenn der Staat etwas von uns will, wir das auch tun müssen“. Mindestens hat er in Bremen gelernt, wie man bestehende Vorurteile zum Selbstschutz nutzt, als Entlastungsmotiv: „Man darf das nicht unterschätzen, was das ausmacht, die Sozialisation.“

Seit 1. August ist er im Ruhestand, sein Institut am Krankenhaus Mitte soll zum 1. Januar schließen. Seinen Beweissicherungsdienst könnte er natürlich ewig betreiben, aber „so ein Leichenfan bin ich auch wieder nicht“. Wenn er seinen Nachfolger eingeführt hat, „dann bin ich weg“. BES