Umfrage vor dem Sturm

Die Angst vor Hochwasser will ein Forschungsprojekt an der Universität Bremen ergründen. Anlass zur Sorge gibt es genug: Experten gehen davon aus, dass die Deiche ab 2030 unsicher werden

von Eiken Bruhn

Der Leiter des Instituts für Küstenschutz in Geesthacht, Hans von Storch, hatte zwei Botschaften, die er am Wochenende per Deutsche Presseagentur unter das Volk brachte. Zur Auswahl standen: „Bis 2030 sind unsere Deiche sicher.“ Und: „Bis 2030 sind unsere Deiche sicher.“ Betonung entweder auf „bis“ oder „2030“, je nach Temperament konnte man sich aussuchen, was man lieber hörte.

Wie von Storch gehen Küstenschutz- und Klimaexperten davon aus, dass durch den Klimawandel bedingt der Meeresspiegel ansteigen und es vor allem nach Sturmfluten „Land unter“ heißen wird. Unsicherheit besteht – neben Angaben zu Zentimetern und Zeiträumen – noch darüber, inwiefern das Katastrophenszenario schon bei denen angekommen ist, die es möglicherweise betreffen wird. Seit heute läuft daher eine Telefon-Umfrage unter 400 Bürgern und Bürgerinnen in Bremen und Hamburg, die Aufschluss darüber geben soll, ob Menschen sich von Hochwasser bedroht und wie sie sich für den Ernstfall gerüstet fühlen. Das Ziel des vom Bundesforschungsministerium geförderten Projekts an der Universität Bremen: Ein Konzept für ein internetbasiertes Informationssystem.

„Wir wollen auch herausfinden, ob das Hochwasser-Risiko eher verdrängt wird oder ob die Leute sogar Ängste haben“, sagt Thomas Martens, Psychologe an der Universität Bremen. Die Forscher rechnen damit, dass es Unterschiede zwischen Bremen und Hamburg geben wird, da an der Elbe bereits regelmäßig über das Thema informiert wird. „Das liegt daran, dass die Sturmflut von 1962 den Menschen noch in Erinnerung ist“, sagt Martens. „In Bremen geht man davon aus, dass die Deiche halten werden.“

Tatsächlich sei das Risiko, etwa in Bremen von einer ähnlichen Katastrophe betroffen zu sein, relativ gering, sagt der Psychologe. „Aber ganz sicher ist man nie.“

Er stützt sich dabei auf die Ergebnisse seiner Kollegen im niedersächsisch-bremischen Forschungsverbund „Integriertes Hochwasserrisikomanagement in einer individualisierten Gesellschaft“ (INNIG). Als Psychologe interessiert er sich vor allem dafür, wie Individuen mit derart abstrakten Bedrohungen umgehen. „Es ist ein großer Unterschied, ob man etwas tun kann, ob es Möglichkeiten gibt sich zu schützen oder eben nicht.“ Als Beispiel nennt er den Millenium-Bug, als sich Computernutzer die entsprechende Software besorgen konnten, um die Umstellung auf das Jahr 2000 ohne Komplikationen hinzubekommen. „Wenn man nichts tun kann, hat man nur zwei Möglichkeiten: Panisch werden oder verdrängen.“ Was er dringend empfiehlt: Eine Checkliste für den Katastrophenfall anzulegen.

Wer in Bremen oder Hamburg wohnt, kann online an der Umfrage teilnehmen: www.hochwasser-umfrage.de