Auf Bronze folgt nicht immer Silber

KÖNNER Hochmoderner Dark-Pop aus London von Gwilym Gold

Eigentlich hat der Londoner Musiker Gwilym Gold 2012 das Albumformat revolutioniert – nur hat das kaum jemand bemerkt. Sein Solodebüt „Tender Metal“ kam seinerzeit mit einer App namens „Bronze“, die die Soundspuren des Albums bei jeder Wiedergabe in Echtzeit modulierte: syntaktische Verschiebungen, gedehnte oder gestauchte Drumloops, die Synthies mal vorne und mal hinten im Raum. Wer „Tender Metal“ anhörte, hörte niemals zweimal das gleiche Album. Gold und Koproduzent Lexxx, die die iOs-App gemeinsam entwickelten, gingen seinerzeit weiter als Björk mit ihrer interaktiven „Biophilia“-Software.

Für das zweite Album „A Para­dise“ verzichtet der Londo­ner nun auf die App-Funktion. Musikalisch präsentiert er sich dafür in Höchstform, hochmoderner Darkpop – man denkt zuweilen an Thom Yorke – ist in den zehn Stücken zu hören. Golds Falsett, die sanften Klaviercrescendi, die Intro­spektionen und sachten Geigen machen seinen Elektroblues blei­schwer. Der zeitgenössische Komponist Nico Muhly steuert Streicherarrangements bei, während Gold die Tracktitel thematisch dichotomisch ordnet: Das Bekannte steht da etwa dem Ungewissen gegenüber, auch die Naturmetaphern in den Titeln sind so angelegt. Das Stück „Triumph“ fällt musikalisch aus der Reihe: Da wirken die pulsierenden Kickdrums geradezu aufwühlend im Vergleich zu anderen Songs.

Dramaturgische Könnerschaft beweisen Gold und Lexxx über die gesamten 40 Minuten. So bleibt kein Zweifel an der musikalischen Qualität von „A Paradise“, das angesiedelt ist zwischen Radioheads „Kid A“, James Blake und Son Lux. Dennoch fehlt Golds zweitem Album die revolutionäre Innovationskraft des Vorgängers. Dass Gold auf die frühere Form­offenheit verzichtet, ist zu bedauern. Andererseits steht die Musik nun auch Nicht-­Apple-­Kunden zur Verfügung. Ein Argument für das konservativere Format könnte der Konzern übrigens selbst geliefert haben. „Apple gefiel nicht, dass die App sich auf die Musikerfahrung beschränkt“, so Gold. „Die wollten lieber eine App, bei der der Nutzer über den Bildschirm wischen und herumspielen kann.“ Einfach nur zuhören – das ist heute wohl einfach zu wenig. Matthias Manthe

Gwilym Gold: „A Paradise“ (Brille Records/PIAS)