Der Weg nach Westen

Bundeskanzlerin Angela Merkel macht in Istanbul gut Wetter, damit die Türkei die Flüchtlinge auf dem Weg nach Europa stoppt

Die neue Fluchtroute führt durch Slowenien

Südosteuropa Nach der Sperrung der ungarisch-kroatischen Grenze: Flüchtlinge stauen sich in Kroatien, weil Slowenien weniger Menschen durch das Land lässt

Pro: Für den Bau eines Zauns an der deutschen Grenze hat sich der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, ausgesprochen. „Wenn wir ernst gemeinte Grenzkontrollen durchführen wollen, müssen wir einen Zaun entlang der deutschen Grenze bauen. Ich bin dafür, dass wir das machen“, sagte Wendt.

Contra: Als ein „unverantwortliches Spiel mit dem Feuer“ lehnte der Chef der konkurrierenden Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, Wendts Forderung ab. „Wer die Krawallstimmung der Rechten noch befeuert, erschwert die Arbeit der Polizei“, sagte Radek. (rtr, taz)

LJUBLJANA/BERLIN taz | In kleinen Schritten und mit strenger Kontrolle widmet sich die slowenische Regierung dem Strom der Flüchtlinge, der sich seit dem Wochenende auf das Land zwischen Alpen und Balkan konzentriert. Seit Ungarn in der Nacht auf Samstag seine Grenze zu Kroatien geschlossen hat, sind mehrere tausend Flüchtlinge von Kroatien aus nach Slowenien eingereist. Von dort werden sie mit Bussen und Zügen weiter an die österreichische Grenze eskortiert. Am österreichischen Übergang Spielfeld kamen bis Sonntagmittag 1.650 Flüchtlinge an, in Bad Radkersburg 360. Im Lauf des Sonntags wurden noch mehrere tausend Ankünfte an den Übergängen erwartet.

In Österreich hatte man zunächst mit mehr Flüchtlingen gerechnet. Dass ihr Transport durch den slowenischen Korridor länger dauert, hat mit den Auflagen der dortigen Regierung zu tun: Während der ­UNHCR davon ausgeht, das Land könne 7.000 Flüchtlinge täglich empfangen und weiterleiten, hat Ljubljana diese Zahl auf 2.500 beschränkt. Boštjan Šefic, Staatssekretär im Innenministerium, sagte, man habe Maßnahmen getroffen, um die „kontrollierte Einreise von Flüchtlingen und Migranten zu ermöglichen“. Im Fall sehr großer Zahlen stünde die Armee bereit, um die Polizei vor allem logistisch zu unterstützen.

UNHCR-Sprecherin ­Caroline Van Buren sagte am Samstag am slowenisch-kroatischen Grenz­übergang Petišovc, bis dato sei alles gut verlaufen. In der Nacht auf den Sonntag indes meldeten freiwillige Helfer vom Grenzübergang Obrežje/Bregana, die Situation sei „katastrophal“. Stundenlang hätten Flüchtlinge auf ihren Weitertransport warten müssen. „Es gibt nichts, keine grundlegende Infrastruktur, keine Toiletten kein Essen und humanitäre Organisationen sind nicht da“, sagte ein Helfer.

Die kroatische Regierung akzeptiert die Auflagen aus Ljub­ljana. Innenminister Ranko Ostojić sagte am Samstag, ­solange der Transitkorridor funktioniere, könne Kroatien Flüchtlinge aufnehmen. Allein am Samstag aber reisten rund 6.000 Menschen aus Serbien ein, von denen viele zunächst in ein Auffanglager in Ostkroa­tien gebracht wurden. Vor allem vor dem Hintergrund der Parlamentswahlen Anfang November ist diese Arithmetik brisant. Premier Zoran Milanović sagte am Wochenende, er habe sich kürzlich bei den Regierungen von Deutschland, Österreich und Schweden erkundigt, was sie von einem kroatischen Grenzzaun hielten. „Sie sagten, wir sollten das nicht tun.“ Laut offiziellen Angaben aus Zagreb sind seit Mitte September 188.700 Flüchtlinge aus Serbien ins Land gekommen.

Sloweniens Premier Miro Cerar bekräftigt unterdessen, man wolle in dieser Situation die „Menschenrechte ­weiterhin respektieren“ und einen „humanitären Ansatz“ wählen. Wie dieser künftig aussehen soll, bleibt allerdings in de Schwebe: Ljub­ljana wolle „kein Europa der Mauern“, werde seine Maßnahmen aber denjenigen „anderer relevanter Länder anpassen“. Deutlich machte Cerar auch, dass seine Regierung im Gegenzug Unterstützung aus Brüssel erwarte.

Sowohl Kroatien als auch Slowenien machen das Fortbestehen des Korridors von Deutschland und Österreich abhängig. Sollten Berlin und Wien ihre Grenzen offen halten, wolle man den Weitertransport von Flüchtlingen gewährleisten.

Tobias Müller