Abgasskandal

Neue Vorwürfe der US-Umweltbehörde: VW soll bei weiteren Dieselmotoren manipulierte Software eingesetzt haben

Trotz, Panik, Kopfschütteln

Reaktionen Auch wenn Europas größter Autohersteller alles dementiert: Der Skandal um die Luft verpestende Volkswagen geht ganz offenbar in die nächste Runde

Trübe Aussichten: Das VW-Logo am Wolfsburger Heizkraftwerk Nord/Süd spiegelt sich im Wasser des Mittellandkanals Foto: Paul Langrock/Zenit

von Ingo Arzt

BERLIN taz | VW baut offenbar sehr intelligente Fahrzeuge: Sie erkennen, wann die US-Umweltbehörde EPA ihren standardisierten Abgastest FTP 75 durchführt. Sofort wechselt der Motor in einen „Temperatur-Anpassungsmodus“, verändert Timing und Druck beim Einspritzen des Kraftstoffes, führt mehr Abgase erneut der Verbrennung zu und schon stößt das Fahrzeug weniger schädliche Stickoxide aus. Ist der Test vorbei, wechselt die Maschine binnen einer Sekunde in den normalen Modus, der Ausstoß des Schadstoffes steigt um das bis zu Neunfache an.

So zumindest beschreibt es die EPA in einem Schreiben, das in der Wolfsburger VW-Zentrale, an den Börsen und beim Rest der deutschen Industrie Reaktionen zwischen Trotz, Panik und Kopfschütteln ausgelöst hat. Ganz offenbar geht der Skandal um die Luft verpestende Volkswagen in die nächste Runde. Bereits im September hatten die Amerikaner aufgedeckt, dass im 2-Liter-Vierzylindermotor EA 189 des Konzerns die Software manipuliert ist. Damals ging es um Millionen von Dieselfahrzeugen, die 10 bis 40 mal so viele schädliche Stickoxide ausstoßen, als bei Abgastests ermittelt.

Jetzt glaubt die EPA, VW schummele auch bei Sechszylinderdieseln mit 3,0 Liter Hub­raum. Auch hier soll die Software Abgastests erkennen. Es geht um seit 2014 gebaute Wagen, darunter mit dem Cayenne auch erstmals ein Porsche. Dazu kommen der VW-Touareg, Audi Q5, die Limousinen Audi A6 Quattro, Audi A7 Quattro, Audi A8 und dessen Langversion.

In den USA sind zwar nur 10.000 Wagen betroffen, wenig verglichen mit dem ersten Skandal. Sollten die EPA-Vorwürfe zutreffen, wäre aber der Neustart mit dem von Porsche geholten neuen Konzernchef Matthias Müller vermasselt.

Entsprechend fielen die Reaktionen aus: Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte, „Made in Germany“ sei nach wie vor ein Gütezeichen, „daran ändern auch die Vorfälle bei Volkswagen nichts“ – was eher ein Hinweis darauf ist, dass die Marke Deutschland sehr wohl leidet. „VW hat …damit der deutschen Industrie einen Bärendienst erwiesen“, so der Chef des Bundesverbands der deutschen Industrie, Ulrich Grillo.

Die Firma dementiert die Vorwürfe bisher komplett. „Die Volkswagen AG betont, dass keine Software bei den 3-Liter-V6-Dieselaggregaten installiert wurde, um die Abgaswerte in unzulässiger Weise zu verändern“, so Europas größter Autobauer. Seit Beginn des Skandals hat der Konzern ein Drittel seines Börsenwerts verloren, im vergangenen Quartal schrieb er Milliardenverluste, weil Millionen Autos zurück in die Werkstätten müssen.

Die US-Umweltbehörde kann Strafen von bis zu 37.500 Dollar verhängen – pro manipuliertem Fahrzeug

Die EPA betont, dass für Besitzer von Wagen mit manipulierter Software keinerlei Gesundheitsgefahr besteht. Es seien die Emissionen der Fahrzeuge insgesamt, die zu einer schlechteren Luftqualität führten. In den USA werden Verstöße gegen Auflagen zur Luftreinhaltung hart geahndet – während in Europa die Politik noch untätig ist.

Die EU-Kommission etwa teilte mit, sie wolle sich erst ein umfassendes Bild im Abgas­skandal machen. „Wir wollen schnell Klarheit, aber es ist genauso wichtig, ein vollständiges Bild zu haben“, so eine Sprecherin. Bisher hat die Brüsseler Behörde lediglich die Mitgliedsländer aufgefordert, Informationen über die Genehmigungen von Autos der Volkswagen-Gruppe bereitzustellen und auszutauschen.

Was VW dagegen in den USA blüht, ist in dem Schreiben der EPA an den Konzern nachzulesen. Allein die Umweltbehörde hat das Recht, Strafen von bis zu 37.500 Dollar gegen den Konzern zu verhängen – pro manipuliertem Fahrzeug.