Fortschritte bei der Versorgung

Lageso Der Marburger Bund kritisiert die medizinische Versorgung von Flüchtlingen als unzureichend – auch nach der Vereinbarung zwischen der Charité und dem Lageso

Ärztin Susanne Eipper impft am 1. 10. 2015 im Lageso einen syrischen Flüchtlingsjungen Foto: Kay Nietfeld/dpa

von Susanne Memarnia

Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund übt scharfe Kritik an der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen in Berlin. Das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) habe „große Schwierigkeiten“, bereits regis­trierten Asylbewerbern quartalsgemäß die sogenannte grüne Gesundheitskarte auszustellen, mit der diese zum Arzt gehen können, sagte der Vorsitzende des Marburger Bundes, Peter Bobbert, am Dienstag. „In einzelnen Notunterkünften ist die medizinische Versorgung darum nach wie vor ungenügend“, lediglich ehrenamtliche Ärzte kümmerten sich dort um die Menschen.

Bobbert kritisierte auch die neue Vereinbarung zwischen Lageso und Charité zur Versorgung von neu ankommenden Flüchtlingen beim Lageso in Moabit. Die Forderung, dass dort hauptamtliche Ärzte die Arbeit der bisherigen Ehrenamtler übernehmen müssten, sei weiterhin nicht erfüllt. „Auch wenn jetzt die Charité übernimmt, heißt das nur, dass sie Ärzte freistellt, die dann ehrenamtlich dort arbeiten“, so Bobbert.

Seit diesem Montag werden Flüchtlinge, die zur Zentralen Erstaufnahme- und Leistungsstelle in der Moabiter Turmstraße kommen, dort von Ärzten der Charité „versorgt“. Laut einer Sprecherin der Charité sind nun zwei Mediziner und zwei Pfleger der Charité am Lageso im Einsatz, dazu ein Bundeswehr-Arzt. Die Arbeitszeiten richteten sich nach denen des Lageso. Die Charité-Mitarbeiter würden diesen Dienst freiwillig versehen und dafür von ihrem Arbeitgeber freigestellt, also bezahlt und versichert. „Hilfseinsätze“ dieser Art seien normalerweise auf zehn Tage begrenzt, so die Sprecherin, aber weil das Flüchtlingsthema so schnell nicht vom Tisch sei, habe man diese Begrenzung vorige Woche aufgehoben.

Bislang bezeichneten die Ärzte die Ver­sorgung als „Dritte-Welt-Medizin“

Bislang hatte es in der Turmstraße lediglich eine von ehrenamtlich arbeitenden Ärzten betriebene medizinische Erstversorgung gegeben, die von ihnen selbst zum Teil als „Dritte-Welt-Medizin“ beschrieben worden war. Zudem sind Ärzte der Charité seit Mitte September in verschiedenen Notunterkünften im Einsatz: in der Knobelsdorf-Kaserne, der Glocken­turmstraße sowie in der neuen Erstregistrierungsstelle Bundesallee. Auch dort arbeiten sie auf freiwilliger Basis, werden aber von der Charité freigestellt und versichert. Die Betreuung der Kaserne soll ab Montag über Vivantes laufen.

In der Turmstraße stehen den Charité-Ärzten nun Räume der ehemaligen Median-Klinik auf dem Gelände zur Verfügung, bislang gab es nur einen kleinen, notdürftig eingerichteten Behandlungsraum in Haus C. Widersprüchliche Angaben gibt es zur Finanzierung: Während die Sprecherin von Sozialsenator Mario Czaja (CDU) am Dienstag der taz sagte, es gebe einen Vertrag zwischen Lageso und Charité und die Einsätze der Ärzte würden „von uns“ bezahlt, erklärte die Charité-Sprecherin: „Die Charité-Universitätsmedizin Berlin geht derzeit in Vorleistung für alle medizinischen Behandlungen.“