"Das Verfahren gegen López war eine Farce"

Venezuela In den USA spricht ein Exstaatsanwalt über die Verurteilung des Oppositionspolitikers

„Die Beweise waren gefälscht“

ExStaatsanwalt Franklin Nieves

BUENOS AIRES taz | Wurde gegen den venezolanischen Oppositionspolitiker Leopoldo López ein politischer Schauprozess geführt? Das behauptet jetzt einer der beiden Staatsanwälte, die in dem Verfahren die Anklage gegen López führten. Der Staatsanwalt Franklin Nieves hatte sich Ende Oktober mit seiner Familie in die USA abgesetzt und dort um politisches Asyl gebeten. In mehreren Interviews hat er inzwischen erklärt, der Prozess gegen López sei nach politischen Vorgaben von oben vorbereitet und geführt worden. „Das Verfahren war eine Farce“, sagt Nieves „die Beweise waren gefälscht.“

López sitzt seit dem 18. Februar 2014 im Militärgefängnis Ramo Verde in der Stadt Los Teques in Haft. Vergangenen September war López wegen Aufhetzung, Beschädigung von Privateigentum, Brandstiftung und Bildung einer kriminellen Vereinigung zu 13 Jahren und 9 Monaten Haft verurteilt worden. Das Gericht machte ihn für die Gewalt bei den monatelangen Protesten im vergangenen Jahr verantwortlich, an deren Ende 43 Menschen tot waren, über 600 verletzt und 3.500 verhaftet wurden.

Während des laufenden Verfahrens habe es immer montags ein Treffen gegeben, bei dem das Vorgehen abgesprochen worden sei, so Nieves jetzt. Als Drahtzieher dieser Absprachen macht er Diosdado Cabello verantwortlich, den Präsidenten der Nationalversammlung. Beweise dafür könne er nicht vorlegen. „Die oben schützen sich, die schicken kein E-Mails oder Schriftliches“, sagt Nieves.

Dass er selbst mitmachte und erst jetzt an die Öffentlichkeit ging, begründet er mit dem immensen Druck im Justizapparat und mit der Angst um seine Familie.

Nach Nieves Angaben hätte López bereits eine Woche früher im Bundesstaat Táchira verhaftet werden sollen. Von den beiden Bundesstaaten Táchira und Merida waren die Proteste Anfang des vergangenen Jahres ausgegangen. In einem Hubschrauber des Geheimdienstes Sebin sei er, Nieves, bereits am 10. Februar nach Táchira geflogen mit der Order, Lopéz zu verhaften. Lopéz war jedoch gar nicht erschienen, da dessen Flugzeug wegen eines technischen Defekts nicht starten und so der Oppositionspolitiker gar nicht anreisen konnte.

Stattdessen reiste Nieves am 12. Februar in Begleitung des Geheimdienstes zurück nach Caracas, wo er in der Zentrale den Sebin über eine Funkleitung jene Schüsse im Anschluss einer Demonstration gehört haben will, durch die ein 23-jähriger Student getötet wurde – das erste Todesopfer im Rahmen der Proteste. Als Täter nennt Nieves den Geheimdienstmitarbeiter Ramón Perdomo. Im Prozess machte die Staatsanwaltschaft dagegen Leopoldo Lopéz dafür verantwortlich. Jürgen Vogt