Ein Zaun für alle Fälle

STARSCHNITT II Es ist noch nicht lange her, da rissen wir Grenzzäune und Mauern voller Euphorie nieder und feierten die Einheit, die daraus erwuchs. Heute ist der Zaun, der trennt und draußen hält, wieder schwer im Kommen. Wir würdigen seine neue Popularität in fünf Teilen – und mit einem Aufruf zur prophylaktischen Bastelarbeit

Klebekante: ausschneiden, zusammenkleben, Zaun aufstellen, nie mehr fürchten Foto: Sandor Ujvari/dpa

von Helmut Höge

Wenn ganze Wohnquartiere eingezäunt werden, spricht man von Gated Communities. Auf ihren Zaunpfählen sind mitunter Überwachungskameras montiert.

Nicht wenige Sozialforscher gehen davon aus, dass dieses Elend bereits mit der Sesshaftigkeit begann: Während die Nomaden den Raum beherrschten, nahmen die Sesshaften ihn in Besitz, sie zerstückelten und markierten ihn, um ihn aufzuteilen. Anny Milovanoff schreibt in „La seconde peau du nomade“ (Die zweite Haut des Nomaden): „Der Nomade hält sich an die Vorstellung seines Weges und nicht an eine Darstellung des Raumes, den er durchquert. Er überlässt den Raum dem Raum.“

Der Staat der Sesshaften baut heute zwar den Grenzschutz mittels Mensch und Material aus, gleichzeitig privatisiert er ihn jedoch auch, indem er mehr und mehr auf (Überwachungs-) Technik setzt: Der Grenzschutz ist ein Milliardengeschäft, allein die im Mittelmeer eingesetzten Frontex-Schiffe und -Flugzeuge verschlingen Zigmillionen Euro. Gleichzeitig werden aber auch immer noch täglich weltweit Millionen Festmeter Holz zu Zaunpfählen verarbeitet. Und die Zaunanbieter haben als Teil der Security-Branche ununterbrochen Konjunktur – gerade in Rezessions-, Restaurations- und Krisenzeiten beziehungsweise Bürgerkriegen.

Nicht zuletzt deswegen haben auch die Holzpreise in den letzten Jahren angezogen, ein Holzzaunpfahl kostet heute zwischen 5 und 15 Euro in den Bau- und Heimwerkermärkten, wobei zwischen „kesseldruckimprägnierten“ und „oberflächenbehandelten“ Pfählen – meist aus Kiefern- oder Fichtenholz – unterschieden wird.

Fortsetzung folgt morgen