Der den Frieden will

Türkei II In Selahattin Demirtaş, dessen kurdisch-linke HDP über 10 Prozent erzielte, setzen viele türkische Liberale ihre Hoffnung

ISTANBUL taz | Mit dem 42-jährigen Selahattin Demirtaş ist in der Türkei ein neuer Parteiführer herangewachsen, der vielen WählerInnen Hoffnung macht. Nicht nur unter Kurden, auch bei vielen linken und liberalen Türken ist Demirtaş mittlerweile ein Star.

Nachdem die kurdisch-linke HDP (Demokratische Partei der Völker) unter seiner Führung erneut die 10-Prozent Hürde überwinden konnte und sie im zukünftigen Parlament wieder vertreten sein wird, geht an Demirtaş kein Weg mehr vorbei.

Der Mann kommt aus einer kurdischen Familie, wuchs im Osten des Landes in einer Kleinstadt auf. Trotzdem wurde in der Familie türkisch gesprochen. In seiner Jugend, so erzählte er es in einem Interview, sei er sich als Kind seiner kurdischen Identität gar nicht bewusst gewesen. Erst als er bei der Beerdigung eines ermordeten kurdischen Politikers von der Polizei verprügelt wurde, war die Identitätsfrage für ihn geklärt.

Er studierte Jura und eröffnete eine Anwaltskanzlei in Diyarbakır, der größten überwiegend von Kurden bewohnten Stadt im Südosten der Türkei. Fortan widmete er sich dem Kampf für die Rechte der kurdischen Minderheit und wurde Vorsitzender des IHD in Diyarbakır, des größten Menschenrechtsvereins in der Türkei.

Viele seiner Freunde und Bekannten – sogar einer seiner Brüder – schlossen sich dem bewaffneten Kampf der Kurdischen Arbeiterpartei PKK an. Doch Selahattin war bereits früh überzeugt, dass das Wort und das Recht langfristig die stärkeren Waffen sind.

Er engagierte sich in den Vorläuferparteien der HDP und wurde 2007 erstmals als unabhängiger Abgeordneter ins Parlament gewählt. Da diese Vorläuferparteien sich nahezu ausschließlich auf die kurdische Minderheit als Zielgruppe konzentrierten, übersprangen sie landesweit nie die Zehnprozenthürde. Demirtaş gehörte deshalb früh zu den kurdischen Politikern, die auf eine Öffnung drängten und mit der türkischen Linken zusammenarbeiten wollten. Bei den Wahlen im Juni war für den Erfolg der HDP entscheidend, dass Demirtaş den türkischen Linken glaubhaft versicherte, seine Partei werde keinen Deal mit Staats­chef Recep Tayyip Erdoğan machen, um den Kurden mehr Autonomie und im Gegenzug Erdoğan sein Präsidialsystem zu verschaffen.

Jetzt hat Demirtaş überzeugend für die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen mit der PKK geworben. Er forderte beide Seiten immer wieder auf, die Waffen wegzulegen. Demirtaş ist verheiratet und hat zwei Töchter. Jürgen Gottschlich