„Mit Anlagen für 60.000 Schweine habe ich schon Probleme“

RegelungenDie Linkspartei hat sich beim Einsatz für eine nachhaltigere Landwirtschaft bisher zurückgehalten. Dennoch habe man viel erreicht, sagt Landwirtschaftsexperte Thomas Domres

Thomas Domres

Foto: Die Linke

45, ist parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion im Brandenburger Landtag in Potsdam. Er gehört dem Parlament seit 1999 an und ist Mitglied des Ausschusses für ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft.

Interview Claudius Prößer

taz: Herr Domres, die rot-rote Koalition in Brandenburg hat im März die Volksinitiative gegen Massentierhaltung abgelehnt. Die Linke hat damals vor allem mitgestimmt, um den Koalitionsfrieden nicht zu gefährden. Wenn das Volksbegehren nun Erfolg hat, steht dann Ihre Ablehnung auch schon fest?

Thomas Domres: Nein. Wir werden uns sicher noch einmal mit den Vertretern des Volksbegehrens verständigen und darüber in der Fraktion, im Landesverband und mit dem Koalitionspartner reden. Einiges, was das Volksbegehren anstrebt, ist ja schon erreicht: So hat der Landwirtschaftsminister angekündigt, dass die wenig tierschutzfreundliche Basisförderung für Tierhaltungsbetriebe ab 2016 wegfällt, Brandenburg hat sich zum Antibiotikaeinsatz positioniert, und der Verbraucherschutzminister hat den Auftrag bekommen, zusätzlich zum Tierschutzbeirat die Einrichtung eines Tierschutzbeauftragten zu prüfen. Das steht alles auf der Habenseite.

Sie haben also Sympathien für das Anliegen des Volksbegehrens?

Die Unterschriftenzahlen machen ja jetzt schon deutlich, dass das Thema den Verbraucherinnen und Verbrauchern wichtig ist und wir den Dialogs fortsetzen müssen. Es ist auf jeden Fall ein Verdienst des Volksbegehrens, dass es einen Beitrag zur Debatte leistet, welche Landwirtschaft wir in Brandenburg wollen.

Wo liegen denn die Differenzen zwischen der Linken und der SPD?

Die größte ist mit Sicherheit die Frage des Verbandsklagerechts für Tierschutzverbände. Die Brandenburger SPD lehnt das derzeit ab, wir als Linke finden es aber wichtig. Es gibt ja auch sehr gute Erfahrungen mit dem Verbandsklagerecht beim Umweltschutz. Aber lassen Sie mich auf die Volksinitiative zurückkommen: Viele der Anliegen sind letztlich Sache der Bundesgesetzgebung, wie die Frage des Kupierens von Schweineschwänzen und des Kürzens von Schnäbeln: Die sind im Tierschutzgesetz des Bundes geregelt. Da können wir im Land nur über Durchführungsbestimmun­gen aktiv werden. Und das werden wir auch tun.

Aber das Volksbegehren führt das Kupierverbot gerade unter den Punkten auf, die das Land selbst regeln könne.

Richtig, da haben wir eine Meinungsverschiedenheit mit den Vertretern des Volksbegehrens. Wir meinen, dass das ganz klar ein Fall für die Bundesgesetzgebung ist. Wir müssen auf anderer Ebene tätig werden, etwa die Forschung unterstützen, wie man das Schwanzbeißen bei Schweinen unterbinden kann, damit das Kupieren überflüssig wird. Oder positive Erfahrungen sowie Praxisbeispiele kommunizieren und Beratungsangebote fördern.

Und was ist mit dem Kürzen von Schnäbeln?

Das ist in Brandenburg eigentlich kein Thema – das wird bereits in den Brutbetrieben gemacht, die wir hier kaum haben. Und es ist eben auch ein Thema der Bundesgesetzgebung.

Sind für Sie die Betriebsgrößen ein Problem?

Für ein erfolgreiches Volksbegehren müssen in Brandenburg mindestens 80.000 Stimmberechtigte unterschreiben. Das sind zwar nur knapp 4 Prozent der Stimmberechtigten (in Berlin müssen es 7 Prozent sein), aber es ist den Initiatoren nicht erlaubt, selbst Unterschriften zu sammeln: Dazu muss jedeR ins Bürgeramt. Immerhin ist seit drei Jahren auch Briefwahl möglich.

Sollte das Begehren Erfolg haben, aber vom Landtag ab­ge­lehnt werden, wollen die In­itia­toren den Volksentscheid einleiten. Spannend wird sein, ob das parallele Volksbegehren gegen eine 3. BER-Startbahn denselben Weg nimmt. Würde über beide Anliegen gleichzeitig abgestimmt, dürften sie voneinander profitieren. (clp)

Entscheidend für die Tiere sind die Haltungsbedingungen: ausreichend Fläche, die Art der Fütterung, die Bodenbeschaffenheit. Aber mit Anlagen, in denen 60.000 Schweine stehen, habe ich schon Probleme. Im Seuchenfall etwa ist die Anzahl der Tiere, die gekeult werden müssen, viel größer, und es drohen andere Umweltschäden: Entsorgungsprobleme bei der Gülle, steigende Nitratbelastung im Grundwasser, Keime. Aber schwarze Schafe gibt es auch bei den kleinen Betrieben. Für sinnvoll halte ich den Vorschlag, wissenschaftlich begründete Obergrenzen am Standort und in der Region festzulegen.

Ganz grundsätzlich gefragt: Ist Tiermast wirklich eine Zukunftsindustrie für Brandenburg?

Da trifft der Spruch zu: „Im Durchschnitt war der Fluss fünfzig Zentimeter tief, und trotzdem ist die Kuh ertrunken.“ Wir brauchen in Brandenburg mehr Tierhaltung, aber sie müsste gerechter über das Land verteilt sein. Einzelne Tierhaltungsanlagen dürfen nicht so groß sein, dass sie Landschaft und Menschen überfordern.

Moment, wieso braucht denn Brandenburg mehr Tierhaltung?

Weil wir im Bundesdurchschnitt einen viel zu geringen Tierbesatz haben. Ich komme aus der Prignitz, da geben viele Milchviehbetriebe wegen der schlechten Milchpreisentwicklung auf. Das ist nicht gut für die Region. Denn Tierhaltung schafft und erhält Arbeitsplätze im ländlichen Raum, weil sie besonders arbeitsintensiv ist, und speziell die Milchviehwirtschaft sichert Grünland. Andernfalls droht unter anderem die berüchtigte „Vermaisung“ der Landschaft.