Kohlekraftwerk bleibt länger am Netz

Energiewende Die Dreckschleuder wird wohl noch mindestens sechs Jahre in Betrieb bleiben: Ein moderner Ersatz für das Kohlekraftwerk Wedel verzögert sich

Das Kohlekraftwerk Wedel an der Grenze zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein wird mehrere Jahre länger in Betrieb sein, als bislang geplant. 2021 sei ein wahrscheinlicher Termin für die Abschaltung, bestätigte die Hamburger Umweltbehörde auf taz-Anfrage. Ursprünglich sollte der Kohlemeiler aus den 1950er- Jahren, der für die gesamte Fernwärmeversorgung des Hamburger Westens zuständig ist, schon 2013 abgeschaltet werden, dann war von 2017 und zuletzt von 2019 die Rede gewesen.

Es gehe darum, „eine energiepolitische Grundsatzentscheidung für die nächsten 30 oder 40 Jahre zu treffen“, sagte der Sprecher des grünen Umweltsenators Jens Kerstan. Dabei gestalte sich der Plan, das Kohlekraftwerk durch ein modernes Gas- und Dampfturbinenkraftwerk abzulösen, als kompliziert.

Deshalb seien verschiedene Szenarien zur künftigen Wärmeversorgung diskutiert und bewertet worden. Eine Entscheidung über das Vorgehen solle nun „bis Ende dieses Jahres getroffen werden“. Als Alternative wird auch die Nutzung von Industrieabwärme von der ehemaligen Müllverbrennungsanlage Stellinger Moor erwogen.

Die Kraftwerkserneuerung gehört zu der für Anfang 2019 geplanten Übernahme des Fernwärmenetzes durch die Stadt und damit zur Umsetzung des Volksentscheids von 2013 über den Rückkauf der Energienetze vom Konzern Vattenfall.

Laut Übernahmevertrag muss bis Ende 2015 entschieden werden, ob in Wedel das Gaskraftwerk im geplanten Umfang gebaut werden soll. Und selbst wenn, wäre die Errichtung bis 2019 „sehr sportlich“, so der Sprecher. Zudem müsse für eine Übergangszeit der alte Meiler ertüchtigt werden, um ab 2017 geltende schärfere Grenzwerte für Schadstoffemissionen erfüllen zu können.

Als Unwägbarkeit gilt in der Umweltbehörde, dass der Bund zurzeit die Förderung für die Kraft-Wärme-Kopplung neu regeln will. Schlimmstenfalls könnte das dazu führen, dass ein neues Gaskraftwerk schon nach wenigen Jahren unwirtschaftlich würde – eine glatte Fehlinvestition.

Einen „Eiertanz“ nennt das die Umweltorganisation BUND, eine der treibenden Kräfte beim Volksentscheid. Ohne Alternativszenario eine längere Laufzeit für das alte Kraftwerk zu lancieren, „zäumt das Pferd von hinten auf“, sagt Landesgeschäftsführer Manfred Braasch. Jeder Monat, den der Kohle-Oldie länger laufe, sei schlecht für den Klimaschutz. Er fordert daher umgehend eine klare Ansage des rot-grünen Senats, wie das Kraftwerk Wedel ersetzt werden soll. Sven-Michael Veit