Schöner wohnen nicht für alle

UNTERBRINGUNG Die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften sehen sich selbst als wichtigen Faktor für sozialen Ausgleich in der Stadt. Wohnungen für Flüchtlinge stellen sie aber nur in sehr geringem Maße bereit

Immerhin: 25.000 Wohnungen haben die städtischen Unternehmen in den letzten drei Jahren hinzugewonnen Foto: Stefan Boness/Ipon

von Malene Gürgen

Mit Eigenlob wird nicht gespart bei der Vorstellung der Bilanz des „Bündnisses für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten“, das der Senat und die sechs städtischen Wohnungsbaugesellschaften 2012 gegründet haben: Das Bündnis leiste „einen erheblichen Beitrag zum sozialen Ausgleich in der Stadt“, sagt Engelbert Lütke Daldrup, Staatssekretär für Wohnen, am Donnerstag. Jörg Franzen, Geschäftsführer der landeseigenen Gesobau, betont: „Wir leisten Großes und sind auch bereit, in den nächsten zehn Jahren Großes zu leisten.“

Was die Ausweitung des Wohnungsbestands angeht, lässt sich die Bilanz tatsächlich sehen: 25.000 Wohnungen haben die sechs Unternehmen in den letzten drei Jahren durch Kauf oder Neubau hinzugewonnen. Der Bestand liegt nun bei 293.000 Wohnungen insgesamt, der Senat und die Wohnungsbaugesellschaften zeigen sich zuversichtlich, das selbstgesteckte Ziel von 300.000 Wohnungen bis Ende 2016 zu erreichen. Die durchschnittliche Nettokaltmiete in den Wohnungen liegt rund 6 Prozent unter dem Marktniveau bei 5,50 Euro pro Quadratmeter, die Neuvertragsmieten betragen im Durchschnitt 6,11 Euro – und sind damit rund 28 Prozent günstiger als der Berliner Durchschnitt.

Ausgerechnet bei denjenigen, die am dringendsten auf die Hilfe der kommunalen Unternehmen angewiesen sind, fällt die Bilanz allerdings weiterhin ernüchternd aus: Von den insgesamt 19.257 neuvermieteten Wohnungen 2014 gehörten lediglich 1.125 ins sogenannte geschützte Marktsegment – Wohnungen, die die Unternehmen auf Grundlage einer Vereinbarung mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) für Menschen freihalten, die wohnungslos oder akut von Wohnungslosigkeit bedroht sind. Noch viel geringer liegt die Zahl der Wohnungen, die ebenfalls über das geschützte Marktsegment für Flüchtlinge bereitgestellt wurden: bei nur 274. Oppositionspolitiker und Flüchtlingsorganisationen fordern seit Jahren, das geschützte Marktsegment für Flüchtlinge auszuweiten, um mehr Menschen in Wohnungen statt Sammelunterkünften unterzubringen – dies fördere nicht nur die gesellschaftliche Integration, sondern sei auch günstiger: Ein Heimplatz kostet das Land rund 600 Euro im Monat.

Zwar soll der Anteil des geschützten Marktsegments im Zuge des neuen Wohnraumversorgungsgesetzes um rund 2,5 Prozent erhöht werden. Doch auch das wird den Bedarf nicht decken können: 2014 wurden insgesamt rund 1.300 Flüchtlinge in Wohnungen vermittelt, in Sammelunterkünften leben derzeit rund 12.700 Menschen.

Im September 2012 schlossen der Senat und die sechs kommunalen Wohnungsbaugesellschaften degewo, Gesobau, Gewobag, Howoge, Stadt und Land und WBM das „Bündnis für soziale Wohnungspolitik und bezahlbare Mieten“, in dem sie sich auf gemeinsame Ziele für eine soziale Wohnungspolitik verpflichteten. So dürfen die Kommunalen die Mieten innerhalb von vier Jahren um nicht mehr als 15 Prozent erhöhen, für Haushalte mit Wohnberechtigungsschein darf die Miete außerdem nicht mehr als 30 Prozent des Haushalts­nettoeinkommens ausmachen. Bis zum Ende der Legislaturperiode im kommenden Jahr soll der kommunale Wohnungsbestand auf 300.000 Wohnungen erhöht werden. (mgu)

Die niedrige Zahl ist dabei nicht allein mit der allgemeinen Wohnungsknappheit zu erklären, sondern offenbar auch politisch gewollt: „Die Unterbringung in Sammelunterkünften hat den Vorteil, dass der Zugriff auf die Flüchtlinge viel einfacher ist und sie somit auch besser begleitet werden können“, sagt Philipp Mühlberg von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. „Wenn die Leute vereinzelt in Wohnungen in der Stadt verteilt sitzen, ist die Gefahr viel höher, dass sie unter falsche Einflüsse geraten und damit ihre Integration gefährdet wird.“ Flüchtlingsexperten warnen hingegen seit Jahren davor, dass die Unterbringung in Sammelunterkünften und der damit verbundene Mangel an Privatsphäre zu psychischen Problemen und Konflikten führen kann.

In Lichtenberg nehmen AnwohnerInnen das Problem derweil selbst in die Hand: mit einem Fachtag „Wohnraum für Geflüchtete“, bei dem BezirkspolitikerInnen, FlüchtlingsaktivistInnen und VertreterInnen der kommunalen Wohnungsbaugesellschaften im November diskutieren sollen, wie die Unterbringung von Flüchtlingen in Wohnungen im Bezirk besser bewerkstelligt werden kann. „Wir wollen die Politik in die Pflicht nehmen, ihrerseits auf die Wohnungsunternehmen einzuwirken, um diese Quote deutlich zu erhöhen“, sagt Daniela Dahlke vom Anwoh­nerInnenbeirat Frankfurter Allee Nord, der den Fachtag ins ­Leben gerufen hat.