Flussfahrt mit Hamster

KINDERFILM Mit „Rettet Raffi!“ hat der Filmemacher Arend Agthe zusammen mit der Schauspielerin Bettina Kupfer einen Krimi vor allem für Kinder inszeniert, der auch eine Liebeserklärung an Hamburg ist

Hat ein Händchen für Tiere, aber mehr noch für kindliches Publikum: Regisseur Arend Agthe (l.), dessen Film „Rettet Raffi!“ heute anläuft Fotos: MFA Filmdistribution, Arend Agthe

von Wilfried Hippen

Mitten auf der Elbe treibt ein winziges Holzbrett. Darauf: ein Goldhamster. Wird Sammy ihn retten? Und werden der Achtjährige und der Hamster dem riesigen Containerschiff entkommen, das auf sie zusteuert? Keine Bange: Selbst die jüngsten Zuschauer spüren, dass es in „Rettet Raffi!“ nicht wirklich eng wird für den kleinen Titelhelden –der allerdings hat ein Herzproblem und muss sich gleich im ersten Akt des Films einer aufwendigen Bypass-Operation unterziehen.

Tatsächlich sind solche Operationen an kleinen Tieren heute möglich. Nur würde man ihnen, dank Nanotechnologie, sehr kleine Herzschrittmacher einsetzen. Das hat Arend Agthe recherchiert, oder zumindest seinen Bruder danach gefragt, denn der ist Tierarzt. Reizvoll war für den Filmemacher aber die Fallhöhe, der komödiantische Effekt: Eine solche Rettungsaktion für ein Haustier, das wirkt doch etwas absurd.

Allerdings nur für ein erwachsenes Publikum. Für Kinder ist es selbstverständlich, dass Sammy seinen Hamster retten will, auch wenn ihm seine große Schwester vorrechnet, dass er für ein paar Euro einen neuen Hamster kriegt.

Die Mutter wollte, dass er etwas Ordentliches lernt

Arend Agthe macht gerne Filme mit Tieren und er hat nun auch nicht zum ersten Mal eines davon ins Wasser gesetzt: „Flußfahrt mit Huhn“ hieß 1983 sein erster, sehr erfolgreicher Kinderfilm. Darin fuhren vier Kinder in einem Gummiboot die Weser hinunter. Es folgten „Küken für Kairo“, „Der Sommer des Falken“, in „Wunderjahre“ ging es dann um ein Kaninchen, in „Karakum“ um eine Ziege. Ja, Agthe ist mit vielen Tieren aufgewachsen, im Oldenburger Land. Damals gab es Lassie und Fury im Fernsehen, später nahm er sich amerikanische Filme zum Vorbild, die oft –und gut –von der Freundschaft zwischen Kindern und Tieren erzählen.

Filme machen wollte er schon sehr früh, aber seine Mutter, eine Schulleiterin, wollte, dass er etwas Ordentliches lernt. Also studierte er Germanistik und Theaterwissenschaften, drehte aber als Autodidakt nebenbei und kam durch seine Kontakte zum Hessischen Rundfunk schließlich dazu, mit den Hochkomikern der „Neuen Frankfurter Schule“, F. W. Bernstein, Robert Gernhardt und F.K. Waechter, die Filme der „Gruppe Arnold Hau“ zu inszenieren. In Hamburg fragten ihn dann die Produzenten der „Sesamstraße“, ob er nicht kleine Beiträge schreiben und inszenieren wolle.

So kam der heute 66-Jährige zum Kinderfilm. Er hat dann auch weiter für das Fernsehen gearbeitet und ganze Staffeln „Löwenzahn“ gedreht. Mit Bundesfilmpreis, Unicef-Preis und Grimme-Preis ausgezeichnet, folgten 20 Jahre lang keine Kinderfilme. Stattdessen inszenierte er etwa die Dokumentation „Über das Meer – Die DDR-Flucht des Erhard Schelter“.

Die Idee zu „Rettet Raffi!“ hatte er vor fünf Jahren: Ein „Minimumwesen“ –so Agthes eigene Formulierung –sollte zeigen, wie groß die Tierliebe eines Kindes sein kann. Von der Hamburger Filmförderung bekamen Agthe und seine Frau, die Schauspielerin Bettina Kupfer, Drehbuchförderung, sie fanden aber keinen Produzenten. Ein internationales Studio war interessiert, wollte aber einige Rollen mit Stars besetzen und so einen ganz anderen Film machen. Frustriert schrieb das Autorenpaar das Drehbuch um in ein Kinderbuch, das dann auch ein Verlag herausgab. Als sie auf den Lesetourneen sahen, wie die Kinder mitfieberten, bekamen Agthe und Kupfer wieder Lust, den Film zu machen und kümmerten sich, unter anderem durch Crowdfunding, selbst um die Finanzierung.

Nun ist das Drehen mit Kindern und Tieren notorisch schwierig, schon weil die Kleinen nur drei Stunden pro Tag vor die Kamera dürfen. Hamster wiederum sind nicht für ausdrucksstarke Mimik bekannt. Da ist es umso erstaunlicher, wie groß die darstellerische Palette von Raffi ist. Dafür kam ein handzahmer Hauptdarsteller, den Sammy-Darsteller Nicolaus von der Recke seither in echt hegt und pflegt, zum Einsatz, dazu 14 Doubles, die eine Tiertrainerin ein halbes Jahr lang vorbereitete. Nun schwimmt der Titelheld nicht nur in der Elbe, er fällt auch durch eine Regenrinne oder nagt Kabel durch.

Aufregende Handlung

Ein weiterer Hauptdarsteller ist Hamburg: Gedreht wurde an etlichen Originalschauplätzen. Das Film-Hamburg wirkt allerdings eher wie ein Dorf, in dem die Figuren sich ständig wie zufällig wieder über den Weg laufen. So kann viel aufregende Handlung in die 92 Filmminuten gepackt werden: Da klaut ein Ganove mit Namen Rocky das Auto von Sammys Mutter –mit Raffis Käfig auf dem Rücksitz: Der Hamster soll die Zigaretten erschnüffeln, die der Ganove in Containern geschmuggelt hat, aber nicht wiederfindet. Sammy verfolgt also den Petnapper, der Raffi in seiner Gewalt hat, und alles mündet in ein großes Finale während einer im Studio Hamburg aufgezeichneten Fernsehshow, bei der Raffi dann noch einen großen Auftritt hat.

All das ist mit viel Witz erzählt, der auch ein erwachsenes Publikum unterhalten kann. Aber sogar wenn sich ein Zitat aus Billy Wilders „Some like it hot“ findet: Raffis Zielpublikum ist eindeutig zwischen acht und 14 Jahren alt. Und in dieses kann sich Agthe immer noch sehr gut hineinversetzen. Konsequent und sehr effektiv erzählt der Film aus der Perspektive der Kinder und vermeidet auch bei den erwachsenen Filmfiguren Klischees.

Kinostart: 22. Oktober