LESERINNENBRIEFE
:

Ernst zu nehmender SPD-Kandidat

■ betr.: „Ehrenrettung für Steinbrück“ u. a., taz vom 11. 1. 13

Bis auf eine Einlassung von Gesine Schwan, die eine andere Haltung zum Kanzlerkandidaten der SPD zeigte, bzw. einen Leserbrief am letzten Wochenende, der die einseitige Berichterstattung der taz bemängelte, geiferte die taz nahezu mainstream-mäßig wochenlang immer im gleichen Tenor gegen die Honorare für Vortragstätigkeit des Kanzlerkandidaten und zuletzt wurde eine aus dem Zusammenhang gerissene Bemerkung über das vergleichsweise „niedrige Kanzlerinnengehalt“ noch einmal zum Anlass genommen, diese undifferenzierte Berichterstattung fortzusetzen. Vermutlich hat niemand sein Buch: „Unterm Strich“ gelesen oder versucht seine Haltung hinter den oft verkürzten Bemerkungen zu verstehen.

Nach der Lektüre des Buchs habe ich jedenfalls den Eindruck, dass hier endlich einmal jemand versucht die Zusammenhänge und die eigene Verwicklung kritisch darzustellen, zu erklären und nicht schönzureden. Wieso kommt denn niemand in der Redaktion – was ihnen manchmal so gut gelingt – auf die Idee, diese Bemerkung aus einen anderem Blickwinkel zu sehen? Also dem Kanzlerkandidaten auch eine positive Absicht zu unterstellen. Ich könnte mir vorstellen, dass es bei dieser Bemerkung auch ganz allgemein darum geht, wie in dieser Gesellschaft Arbeit bewertet wird. Vielleicht hat Peer Steinbrück weiter gedacht – so schätze ich die Haltung dieses Mannes nach der Lektüre seines Buches ein – und damit die Bewertung von Verantwortung und Arbeit mit Menschen in dieser Gesellschaft gemeint.

Noch mal zur taz: Was treibt Leute, die so was schreiben? Angst vor einem sprachgewaltigen, vielleicht auch manchmal zu direktem Mann. Neid oder Sorge davor, dass man sich nicht mehr so gemütlich in dem Geschwurbel der jetzigen Kanzlerin und ihrer Mitstreiter einrichten kann und damit auch nicht mehr nachdenken muss? Wenn die taz Merkel als Kanzlerin weiterhin haben möchte, dann sollte sie es ehrlicherweise deutlich bekennen, und zwar auf der Titelseite, und nicht den einzigen ernst zu nehmenden Kandidaten mies machen. V. und THERESE ZIESENITZ, Hamburg

Weiter im Lexikon blättern

■ betr.: „Bildungsprediger in der Krise“, taz vom 9. 1. 13

Die Diffamierung der gesamten Reformpädagogik als Ideologie wird durch nichts unterlegt, nur seinen Blick ins Lexikon führt Salman Ansari an: da steht was ganz Anderes über „Beziehung“, als die Reformpädagogen damit meinen (und, füge ich hinzu, ein großer Teil der Psychotherapeuten, viele Theologen und auch viele Pädagogen, die sich nicht im Reformhaus verorten). Immer gab es Irrwege von Reformpädagogen, ob es die faschistischen Schlenker eines Peter Petersen waren oder die Schwurbeleien eines Rudolf Steiner. Und die Odenwaldschul-Skandale sind in der Tat unzureichend erkundet. Aber „Beziehung“ zwischen Lehrer und Schüler zu diffamieren mit der Dämlichkeit „soll der Lehrer etwa alle Schüler in den Arm nehmen?“ ist schon an Plattheit nicht zu überbieten.

Soll Herr Ansari ruhig weiter im Lexikon blättern, er hat da offensichtlich noch viel zu lernen. Bindung und Beziehung spielen im pädagogischen Alltag eine hervorragende und differenzierte Rolle. Davon versteht Herr Ansari nichts und sollte ganz in der Tradition Wittgensteins davon schweigen. INGO ENGELMANN, Buchholz

Fragwürdig und anstrengend

■ betr.: „Bildungsprediger in der Krise“, taz vom 9. 1. 13

Es ist ja schön, dass Salman Ansari etwas gelernt hat. Für mich als Leser bleiben aber einige Fragen offen. Die erste: Wer ist Salman Ansari? Es fehlt eine Information, die erläutert, warum er seine These in der taz darstellt. Ist er Professor für?, oder Pädagoge, Theoretiker oder Praktiker?

Außerdem frage ich mich, wofür Ansari denn nun steht. Was er nicht mag, ist deutlich, nämlich „die“ Reformpädagogik, aber wofür plädiert er? Was ist der Unterschied zwischen Beziehung und „Nähe zum Kind“ auf der einen, reformpädagogischen und damit schlechten Seite und andererseits der „Suche nach kognitiven und emotionalen (sic!) Verbindungslinien“? Findet sich diese Suche im „normalen“ Schulsystem?

„In der Tat“ stellt sich mir die Frage, was denn in der konkreten Praxis mit dem „nüchternen pädagogischen Handwerk“ gemeint ist. Etwa der Frontalunterricht, der zwar „klare Strukturen“ bietet, aber, „weil ja jedes Kind eine einzigartige Persönlichkeit ist“, schwerlich „die Kinder ermutigt, sich selber und ihre Welt besser zu verstehen“.

Ich finde es immer wieder fragwürdig und anstrengend, wenn Kommentatoren die Sicht auf die Dinge, die ihnen nicht gefällt, „ideologisch“ nennen, während die, der sie selber folgen, die „wahre, auf Tatsachen basierende“ Betrachtungsweise sei.

RAINER LICHT, Hamburg

Nicht pauschal verunglimpfen

■ betr.: „Bildungsprediger in der Krise“, taz vom 9. 1. 13

Nähe und Distanz zu einzelnen SchülerInnen sind mit hoher Verantwortung situativ immer wieder neu auszuloten. Entsprechend müssten LehrerInnen ausgebildet werden. ReformpädagogInnen dürfen nicht pauschal verunglimpft werden, wie Ansari es in seinem Artikel getan hat („den Gelehrten der Reformpädagogik deutscher Prägung … geht es nicht um das Wohl des Kindes, sondern um die Rettung einer Ideologie“). Er leistet damit rückwärtsgewandten Kräften Vorschub. Natürlich ist die Diskussion nach der Katastrophe an der Odenwaldschule nicht so einfach WERNER FINK, Hannover