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"Ein innerer Unterschied"

RECHTS-LINKS-URTEIL Das Landgericht entscheidet, ob ein Wutbürger rechts genannt werden darf

Johann Gottlieb Becker
Immanuel Kant

291,Professor für Logik und Metaphysik an der Königsberger Albertus-Uni, wichtigster Philosoph der Neuzeit.

taz: Herr Kant, heute entscheidet das Landgericht, ob man einen Anhänger der Bürger in Wut als rechts bezeichnen darf. Was gebietet die Vernunft?

Immanuel Kant:Da wir alles, was außer uns ist, durch die Sinne nur insofern kennen, als es in Beziehung auf uns selbst steht, ist es kein Wunder, dass wir Begriffe wie rechts, links, vorn und hinten von dem Verhältnis zu unserem Körper hernehmen.

Und der Unterschied von rechts und links ... ?

Ist gegeben.

Wie jetzt?

Ich habe anderwärts gezeigt, dass, da sich dieser Unterschied gar nicht auf deutliche Begriffe bringen, mithin nicht verständlich erklären lässt, er einen guten bestätigenden Beweisgrund zu dem Satze abgebe: dass der Raum nicht zu den Eigenschaften oder Verhältnissen der Dinge an sich, die sich notwendig auf objektive Begriffe müssten bringen lassen, sondern bloß zu der subjektiven Form unserer sinnlichen Anschauung von Dingen oder Verhältnissen, die uns, nach dem, was sie an sich sein mögen, völlig unbekannt bleiben, gehöre.

Aber wie können die Richter denn dann entscheiden, welche Anschauung korrekt und nach welcher Seite die Bewegung gerichtet ist?

Das ist eine Frage, die mit der eine Verwandtschaft hat: worauf beruht der innere Unterschied der Schnecken, die sonst ähnlich und so gar gleich, aber davon eine Spezies rechts, die andere links gewunden ist.

Genau: Spielt der Unterschied eine Rolle?

Aber ja! Ein Schraubengewinde, welches um seine Spille von der Linken gegen die Rechte geführt ist, wird in eine solche Mutter niemals passen, deren Gänge von der Rechten gegen die Linke laufen. Auch ist die rechte Hand der linken ähnlich und gleich.

Und was folgt daraus?

Dass die Figur eines Körpers der Figur eines anderen völlig ähnlich und die Größe der Ausdehnung ganz gleich sein kann, und dennoch ein innerer Unterschied bleibt.

A priori?

Wenn man sich vorstellt: das erste Schöpfungsstück solle eine Menschenhand sein, so ist es notwendig entweder eine Rechte oder eine Linke.

Interview: bes

Mündliche Verhandlung: Landgericht, 13.30 Uhr

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