KUNST

KunstBeate Schederschaut sich in Berlins Galerien um

Blutrot sprudelt es aus dem Zimmerbrunnen, um den herum sich Schriftzeichen der drei Religionen Abrahams an comichaften Händen halten. „Reverse Joy“ von Slavs & Tatars – zu sehen bei Kraupa Tuskany Zeidler – lässt sich als ein Sinnbild der Protestbewegung, ihrer Opfer und der rituellen Bedeutung gemeinsamen Trauerns betrachten. Auf einem Wollteppich, der sich daneben um den Türrahmen biegt, rennen arabische Zeichen zwar in dieselbe Richtung, jedoch unverbunden. Die politische Macht der Sprache ist eines der großen Themen des recherchefreudigen Kollektivs, dem es stets gelingt, aus komplexen Fragestellungen etwas Humoriges hervorzukitzeln. In diesem Jahr waren Slavs & Tatars für den Preis der Nationalgalerie nominiert, daher bespielen sie auch zwei Räume im Hamburger Bahnhof – mit übergroßen Gebetsketten zum Schaukeln und einem „fliegenden“ Teppich zum Darauf-Herumsitzen (Karl-Liebknecht-Str. 29, Di.–Sa. 12–19 Uhr).

Abdeckungen von Schrankschlössern, ein Souvenirlöffel, seidene Handschuhe, kaputte Armbänder. Šejla Kamerić trägt ausgediente Gegenstände zusammen, fotografiert und beschreibt sie mit kurzen Texten. Es sind Andenken an verflossene Lieben, vergangene Zeiten, verlorene Angehörige, poetisch-melancholische Bruchstücke von Lebensgeschichten. Realer oder fiktiver? „Existence“ heißt die Arbeit, in der Kamerić mit der Ästhetik von Instagram spielt und existenzielle Fragen aufwirft. Was bleibt, ist diejenige, die Kamerić, 1976 in Sarajevo geboren, umtreibt. Kollektives und individuelles Erinnern, Überbleibsel des Balkankonflikts. Auch in der aktuellen Ausstellung bei Tanja Wagner begegnet man solchen: Carepakete und Steinkugeln mit eingravierten Koordinaten erzählen von den Gräueln des Krieges (bis31. 10., Pohlstr. 64, Di.–Sa. 11–18 Uhr).

Eine andere Art von Geschichten, gespickt mit Erinnerungen, sind bei Barbara Wien zu entziffern. Fast raumhohe tönerne „Reliefpfeiler“ hängen dort. Sie stammen aus der mexikanischen Stadt Atzompa, seit ihrer Gründung im 7. Jahrhundert bekannt für Töpferei. Mariana Castillo Deball hat dort recherchiert, Dinge und Mate­ria­lien zusammengetragen –Vorspanisches, Archäologisches, Kunsthandwerkliches, aber auch Muttern und Zahnräder aus einer Werkstatt – und sie dann dominohaft-assoziativ gestapelt. Deball verspinnt die Dinge miteinander, samt aller in ihnen ruhenden Symbolkraft, Mythen und Erzählungen, dröselt sie neu wieder auf. Archäologie und Ethnografie werden zu Komplizen ihrer Kunst, ebenso wie die Schönheit der verwendeten Objekte (Schöneberger Ufer 65, Di.–Fr. 13–18, Sa. 12–18 Uhr).