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■ Rot sind die Füchse Deutschland 2012, R: Jan Stefan Kolbe
Anne, Peter und Gabi, sind Anfang 30, aus Nordrhein-Westfalen – und Kinder linker Eltern. Zwei Jahre hat der Regisseur die drei in ihrem beruflichen und privaten Alltag begleitet. In den Zeitraum fällt auch die letzte Bundestagswahl. Gabi war in diesem Jahr die jüngste Spitzenkandidatin in NRW, warb für die „sozialistische Alternative“, die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands, MLPD.
An anderer Stelle im Film ist sie am Rand einer Wiese zu sehen, auf der eine Kinderrallye stattfindet. Sie steht vor einer Stellwand mit 20 verkleinerten Wahlplakaten der MLPD und befragt interessierte Kinder und Jugendliche, welches denn ihr Lieblingsplakat sei. Eine starke Szene von unfreiwilliger Komik – in der Grafik sind die Plakate im gleichförmigen Standard der Partei gehalten: Ein schräggestellter Mehrwortslogan mit Ausrufezeichen und passendem Motiv. So steht eine vielleicht Vierzehnjährige denn auch etwas rastlos davor, bis sie sich für „Für internationale Solidarität!“ entscheidet, Motiv dazu: Che Guevara.
Ja, Che Guevara ist ja bei Jugendlichen sehr beliebt, meint Spitzenkandidatin Gabi zu ihr, darauf das Mädchen: Ja, und ich habe ja auch einen Vater aus einem anderen Land. Die Kinderrallye wird veranstaltet von den „Rotfüchsen“, einer der MLPD nahestehenden Kinderorganisation. Die richtet jedes Jahr Kindersommerlager aus. Auch Anne, Peter und Gabi waren als Kinder beim Rotfuchs, haben mit den Eltern auch an Demonstrationen teilgenommen. Die Eltern, allesamt MLPD-Mitglieder, haben für ihre Kinder das entsprechende Engagement angebahnt. Sind selbst aus Schwaben, wo die „Spätzle-ML“ ursprünglich herkommt, ins Ruhrgebiet gezogen, um dem Industrieproletariat nahe zu sein. Und so, wie die Partei derart schematisch für den revolutionären Wandel auf das Industrieproletariat setzt, haben Anne, Peter und Gabi Ausbildungen in Großbetrieben begonnen. Anne hat Schlosserin gelernt, ist seit fünf Jahren Betriebsrätin in einem großen Stahlwerk von Thyssen.
Die Porträts von Anne, Gabi und Peter werden gelungen umrahmt von der Beobachtung einer heutigen Rotfuchsgruppe. So wird ihre Vergangenheit angedeutet, und gezeigt wie politische Erziehung beim Rotfuchs funktioniert – ähnlich wie bei christlichen Pfadfindern oder im Konfirmationsunterricht. Eine kommunistische Partei kann als endogame Gruppe nur funktionieren, wenn sie autoritäre Muster der normierten kapitalismusbejahenden Gesellschaft reproduziert.
Leider benennt der Film nicht, dass sich aus der Apo, auch aus anderen kommunistischen Gruppierungen auch nicht gängelnde Widerständigkeit fördernde Erziehungsformen entwickelt haben: die Kinderläden. Die autoritäre, simplifizierende und widerspruchsarme Kommunismusvorstellung der MLPD steht ähnlich wie die der DKP diesen diametral entgegen. Und ist bevormundend. Gaston Kirsche
„Rot sind die Füchse“ läuft So um 11 Uhr in den Zeise-Kinos, Friedensallee 7–9; der Regisseur ist anwesend
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