Aufräumarbeiten bei der Deutschen Bank beginnen

Finanzbranche Chefbanker Cryan lässt Vorgänger schlecht aussehen und steuert auf neuen Kurs

An der Börse reagierten die Investoren positiv auf das Großreinemachen

HAMBURG taz | Die Deutsche Bank überrascht mit einem Rekordverlust. Der Branchen­primus hat im dritten Quartal 6,2 Milliarden Euro Verlust eingefahren – so viel wie selbst in der Finanzkrise nicht.

Der neue Co-Vorstandsvorsitzende John Cryan schreibt insgesamt sogar 7,6 Milliarden Euro ab, vor allem auf die vor der Abspaltung stehende Postbank und das Investmentbanking. Die Dividende für dieses Jahr wird möglicherweise ganz gestrichen. 98.000 Mitarbeiter müssen mit geringeren Boni rechnen.

Wochen vor der Präsentation der offiziellen Zahlen verschreckte die Deutsche Bank in der Nacht zum Donnerstag ihre Anleger. Von einem „Schock“ schreiben Analysten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), durch die „gigantischen Abschreibungen“. Der ist allerdings schnell verflogen.

An der Börse reagierten die Investoren positiv auf das Großreinemachen: Der Kurs der Aktie ging steil bergauf. Auf diese Weise wurde Bankboss Cryan im Laufe des Tages in seinem Kurs bestätigt, klar Schiff zu machen.

Am 29. Oktober wird der Brite seine neue Strategie für die Zukunft von Deutschlands größtem Geldhaus präsentieren, das sich nach vielen Skandalen in schwerem Fahrwasser befindet. Damit er unbelastet starten kann, räumt er radikal in der Bilanz auf. So geht ein Teil der Verluste auf eine Beteiligung an der chinesischen Bank Hua Xia zurück. Abgeschrieben wird auch teilweise die Postbank, von der sich die Deutsche Bank voraussichtlich deutlich unter dem Buchwert trennen wird.

Für seine neue Strategie arbeitet Cryan, der nach dem unfreiwilligen Abschied des Co-Vorstandsvorsitzenden Jain der starke Mann in Frankfurt ist, auf mehreren Baustellen: Zu viele und zu teure Beschäftigte, eine veraltete Computertechnik, die fehlende Balance zwischen riskanten Wertpapierspekulationen und solidem Kreditgeschäft, internationale Herausforderungen aus Bankregulierungen wie „Basel III“ sowie immer neue Strafverfahren und Vergleiche für frühere Fehler.

Etwa 9 Milliarden Euro sollen bereits an Strafen gezahlt worden sein. Nun stellt Cryan im dritten Quartal weitere 1,2 Milliarden Euro für Rechtsstreitigkeiten zurück. Unsicherheiten über die künftige Geschäftspolitik bleiben. Mittelfristig erwarten viele Analysten nach dem Großreinemachen aber „eine Verbesserung der Ertragsaussichten“. Auch für Cryan. Die Gewinnwarnung ist nach bewährtem Standardrepertoire zugleich eine Ohrfeige für seinen Vorgänger Jain und den noch amtierenden Co-Chef Fitschen. Umso strahlender könnte bald der Neue dastehen. Hermannus Pfeiffer