Der Besen im System

REVOLTE Rapper Smockey trat in seiner Heimat Burkina Faso jahrelang als politischer Aktivist gegen die alten Eliten in Erscheinung – nun kommt er zu einem Symposium und einem Konzert nach Berlin

HipHop-Star Smockey in einem zerstörten Gebäude in Burkina Faso Foto: Outhere Records

von Fanny Kniestedt

Wie ein Prophet steht Serge Martin Bambara alias Smockey auf der Bühne. Im Hintergrund das zerstörte Gebäude der im Oktober 2014 gestürzten Regierung. Im März dieses Jahres gibt er das Releasekonzert zu seinem Album „Pre’volution“ vor dieser symbolträchtigen Kulisse. „Dieser Ort ist wie ein Ausrufezeichen. Eine kollektive Erinnerung für die kommenden Generationen. Wir haben jetzt die Möglichkeit zu beweisen, dass wir uns als homme intègre, als aufrechte Menschen, bezeichnen dürfen“, sagt der burkinische HipHop-Star zu dem Ort.

Niemals vergessen

Und deswegen wird das neue Regierungsgebäude auch hinter dem alten gebaut. „Die künftigen Generationen von Politikern sollen durch diese Ruinen laufen müssen, um zum neuen Regierungsgebäude gelangen zu können, damit sie niemals vergessen, was geschieht, wenn sie ihrer Aufgabe nicht gerecht werden“, erklärt der Künstler und Aktivist.

Schon seit dem ersten Album, das 1999 erschien, macht der Sohn eines Burkinabé und einer Französin seinem Künstlernamen alle Ehre. Smockey, also S’moquer (se moquer) bedeutet so viel wie „sich lustig machen“. Seine „Opfer“ sind dabei vor allem die afrikanischen Machthaber, wie auf seinem letzten veröffentlichtem Album, „CCP – Cravate, costard et pourriture“ (Krawatte, Anzug und Fäulnis).

Ab 2010 kritisiert er nicht mehr nur, sondern greift in die Politik ein. Mit der Gründung der zivilgesellschaftlichen Organisation „Balai Citoyen“ im August 2013 erreicht Smockeys politisches Engagement einen Höhepunkt. Der Name ist dabei sehr genau gewählt: „Balai“, also der „Besen“, spielt auf die wöchentlichen Straßenreinigungsaktionen Thomas Sankaras an, die dieser in den achtziger Jahren organisierte – bis er nach einem Coup an die Macht kam. Nach dem sozialistischen Vorbild Kubas versuchte Sankara eine Politik der wirtschaftlichen Unabhängigkeit, kämpfte gegen Korruption und für Frauenrechte. Aus „Le Balai Citoyen“ entstand eine der mitgliederstärksten und schlagkräftigsten Jugendbewegungen aller Zeiten. Binnen 14 Monaten fanden mehrere friedliche Demonstrationen statt, bei denen Hunderttausende Menschen gegen Machtmissbrauch, Korruption und Perspektivlosigkeit der jungen Generation auf die Straße gingen. Der Protest gipfelt im Volksaufstand, der Blaise Compaoré nach 27 Jahren aus dem Amt „fegte“. Jenen Mann also, der für die Ermordung Sankaras 1987 mitverantwortlich gemacht wird.

Nicht nur politisch, sondern auch musikalisch ist Smockey die denkbar beste Option, der Bewegung eine Stimme zu verleihen. Die vielen Gastmusiker prägen den Sound des aktuellen Albums. Smockey sieht sich auch hier als Teil eines Ganzen. „Pre’volution“ ist eine Mischung aus Slam, Poesie, Reggae, tra­ditioneller westafrikanischer Musik und HipHop. Dieses Mal, sagt er, hat er auf etwas eingängigere, modernere Sounds gesetzt.

Im Video zu seinem Song „Le président, ma moto et moi“ lädt Smockey Expräsident Compaoré ausgerechnet auf eine Spritztour durch die Hauptstadt Ouagadougou auf seinem Motorrad ein. Dabei zeigt er ihm das Resultat seiner schlechten Politik. Auf einmal bricht die Stromversorgung zusammen, die Ampeln funktionieren nicht mehr und sie haben einen Unfall. Doch da auch das Krankenhaus in miserablem Zustand ist, kann der Präsident nicht behandelt werden.

„Jetzt geht es darum, verantwortungs-bewusst zu wählen“

Smockey zur Wahl im November

Nach sechs Jahren Pause ist „Pre’volution das fünfte Album des nun bald 44-Jährigen. Zwischen 2010 und 2014 entstanden insgesamt 31 Titel, die auf drei CDs aufgeteilt sind. Auf den CDs steht „Prémonution“ (Vorahnung), „Révolution“ und „Évolution“. In der Fusion ergeben diese drei Etappen politischer Veränderungsprozesse somit den Albumtitel: „Pre’volution“.

„Vorahnung“ heißt Teil eins deshalb, weil die meisten Songs auf der Platte schon vor vier Jahren entstanden sind. „Revolution“, um an die aktuellen Geschehnisse anzuknüpfen. Und „Evolution“, „weil es ja auch ein Leben nach der Revolution gibt“, wie Smockey erklärt. Es gelte nicht nur Bilanz zu ziehen. Sondern es müsse die zivile Präsenz aufrechterhalten bleiben, damit der Aufstand nicht umsonst gewesen sei. Im Jahr der Übergangsregierung hat die Bewegung „Bilai Citoyen“ deshalb die Wahlvorbereitungen mitgestaltet. Die Campagne „Après ta révolte, ton vote“ (Nach deiner Revolte, deine Stimme) soll ebengenau dieses Bewusstsein aufrechterhalten. „Jetzt, wo wir die Diktatur gestürzt haben, müssen wir darüber nachdenken, alles wieder aufzubauen. Die Leute denken, es gehe um Rebellion. Aber nein, es geht um Verantwortung. Jetzt geht es darum, verantwortungsbewusst zu wählen“, so Smockey.

Übergangsregierung gestürzt

Dass die Zukunftssorgen nicht unberechtigt waren, zeigte sich schließlich in diesem September. Da kippte die Situation in Burkina Faso erneut, als das Militär die Übergangsregierung stürzte. Auch Smockey bekam als Aktivist zu spüren, was die alte Garde von ihm hält. Sein Studio wurde zerstört, er selbst musste untertauchen. „Wenn es eine Pre’volution gibt, impliziert das auch eine Postrevolution“, sagt Smockey. Und genau darum ginge es nun: um den errungenen Sieg über die Diktatur zu kämpfen und ihn mit den Wahlen im November zu sichern und zu feiern.

Freitag, 16. 10., ab 10 Uhr, Roter Salon, Volksbühne: „Mit Besen und Kochlöffeln gegen die Diktatur“ – Burkina Faso zwischen Revolte und Wahl. Symposium, Film und Konzert | 21 Uhr: Konzert Sams‘K Le Jah & Smockey