Beben entmilitarisiert

Pakistan schlägt Entmilitarisierung des Erdbebengebiets vor. Doch die Hilfe wird von der Armee dominiert

Pakistans Streitkräften gehören einigeder größten Unternehmen des Landes

DELHI taz ■ Der pakistanische Präsident Pervez Musharraf hat am Montag auf einer Pressekonferenz vorgeschlagen, das Erdbebengebiet von Indien und Pakistan in eine entmilitarisierte Zone zu verwandeln. Dies würde gleich zwei Probleme lösen: Es würde die grenzüberschreitende Hilfe für die Erdbebenopfer erleichtern. Und da das Notgebiet in den umstrittenen Teilen von Kaschmir liegt, würde dies gleichzeitig einen Schritt zur Lösung dieses Konflikts darstellen.

Die „Aufweichung“ der Waffenstillstandslinie sei ein erster Schritt, dem nun weitere folgen sollten, sagte Musharraf. Er führte nicht aus, ob auch die Gebiete im Panjab und in der Nordwest-Grenzprovinz einbezogen würden. Allerdings fügte er hinzu, dies werde keine Auswirkungen auf das Militärbudget haben.

Aus Delhi lag zunächst keine Reaktion vor, doch ist es unwahrscheinlich, dass sie positiv sein wird. Die Entmilitarisierung beider Teile Kaschmirs ist ein Teil der UNO-Resolutionen von 1948, und in den letzten 57 Jahren hat keines der beiden Länder Schritte unternommen, dieser Aufforderung Folge zu leisten. Für Indien dürfte der Vorschlag daher eher ein Manöver sein, um auf dem Rücken der Opfer die Kaschmir-Politik Islamabads voranzutreiben.

Es könnte auch als Ablenkungsmanöver Musharrafs gesehen werden, da die Bombenanschläge von Delhi ein weiteres Mal Pakistan als wahrscheinlichen Ursprungsort der Terroristen ins Rampenlicht gestellt hat. Premierminister Manmohan Singh tat genau dies, als er in einem Telefongespräch mit Musharraf diesen darauf verwies, es gebe Hinweise auf „ausländische Verbindungen“ der Attentäter. Viele Inder, für die nur Pakistan hinter den Anschlägen stecken kann, sind empört über den Zeitpunkt der Terrorakte. Sie fielen nicht nur mit dem Diwali-Fest zusammen, sondern auch in eine Zeit, in der Indien den pakistanischen Opfern zu Hilfe geeilt ist, obwohl es von ihm selbst schwer heimgesucht worden ist.

Auf der Pressekonferenz in der Garnisonsstadt Rawalpindi bei Islamabad wurde Musharraf dafür kritisiert, dass praktisch die gesamte Führung bei der Katastrophenbewältigung Offizieren in die Hand gegeben wurde. Er antwortete verärgert, dies heiße noch lange nicht, dass die Armee damit alles dominiere. Es gehe einfach darum, die besten Leute für den Job zu rekrutieren. Tatsache ist aber, dass die nationalen und regionalen Organisationen zur Bewältigung des Desasters fast ausschließlich von Offizieren geführt werden. Vertreter von politischen Parteien und NGOs haben kritisiert, dass die hastig eingeführte „Earthquake Reconstruction and Rehabilitation Authority“ (ERRA), die für den Wiederaufbau zuständig sein wird, ihren Funktionären Straffreiheit garantiert. Die neue Behörde hat auch das Recht, Militärs unter Vertrag zu nehmen.

Den pakistanischen Streitkräften gehören einige der größten Unternehmen des Landes und ihre „Stiftungen“ verwalten Milliarden von Rupien, meist ohne Finanzkontrollen. Pakistanische Journalisten haben sich beklagt, dass es sehr schwer sei, Auskunft über die Gelder zu bekommen, die von überall her in die Erdbebenkassen der Regierung geflossen sind. Das „Joint Action Committee“ von über hundert NGOs hat sich beschwert, dass die mangelnde Einbeziehung der Zivilgesellschaft nicht nur der Transparenz schade, sondern auch der Motivation vieler Betroffener beim Wiederaufbau ihrer Wohnstätten.

BERNARD IMHASLY