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Der schwarze Raum ist schmutzig

DISKUSSION Das gute alte Programmkino ist tot – finden anspruchsvolle Filme heute im Ausstellungsraum Asyl? In München wurde nach dem Kino der Zukunft gefragt

Film im Ausstellungsraum, schwärmte Dominik Graf, habe die Reinheit des Laboratoriums neuer Ideen

VON K. ERIK FRANZEN

Früher, als es noch Buchhandlungen gab, die keine Kaufhäuser, sondern Wärmestuben waren, konnte es passieren, dass man sie mit einem bestimmten Wunsch betrat und sie Stunden später mit etwas ganz anderem in der Tasche wieder verließ. So wie früher Buchhandlungen müssten heute, nach dem Untergang des Kinos, Filmfestivals einen Raum für das Unerwartete jenseits durchformatierter Angebote bieten. Das findet zumindest der Leiter der Internationalen Kurzfilmtage Oberhausen, Lars Henrik Gass, der in seinem Buch „Film und Kunst nach dem Kino“ über die Beziehungen zwischen Kunst, Film und Kino nachgedacht hat (siehe taz vom 26. 7. 2012).

Gass’ kulturpessimistisch angehauchte These vom Ende des guten alten Programmkinos diente als Vorlage für eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Museen – Die Kinos der Zukunft?“ in der Akademie der Bildenden Künste in München. Ist das Kino, nicht verstanden als bloße Abspielstätte, sondern als lebendiger, mentaler, sozialer Wahrnehmungs- und Diskursraum, nicht tot, sondern einfach in die Kunst migriert? Hat der White Cube die Black Box als Leitort des Umgangs mit bewegten Bildern abgelöst? Ist die Dekonstruktion der Narration im Film wünschenswert und in der Kunst eher möglich als anderswo?

Solche Fragen wollte der Moderator der Diskussion, der Autor und Filmemacher Heinz Peter Schwerfel, mit weiteren Gästen erörtern. Neben Gass waren das der Regisseur Dominik Graf und der Leiter des Wiener Filmmuseums, Alexander Horwath. Die „Kunst-Seite“ repräsentieren sollte der leider krankheitsbedingt fehlende Kunsthistoriker Walter Grasskamp. Analytische Zuspitzungen zum Verhältnis von Kino und Kunst wären sicherlich erkenntnisfördernd gewesen, wiewohl Schwerfel gleich zu Beginn der Diskussion darauf hinwies, dass man im Gobelin-geschmückten Prunkraum der Kunstakademie eher fragen als Antworten finden wolle.

„Arthouse“ engt ein

Dominik Graf immerhin stellte zumindest sein auf leidvolle Erfahrung gegründetes Fazit zum Verhältnis von Kunst und Kino vor. Der schwarze Raum des Kinos sei heute einfach nur noch schmutzig wegen der radikalen Unterwerfung unter die Prinzipien des Marktes. Ein Filmemacher müsse heute zuerst entscheiden, welches Label auf seinem Werk stehen soll: Ohne Schubladen funktioniere wegen der ökonomischen Auswertung des Produkts nichts mehr. Selbst das Etikett „Arthouse“ enge mehr ein, als es befreie.

Filmen, die „straight to museum“, für den sauberen Ausstellungsraum, produziert werden, sei hingegen eine Reinheit eigen, die ihresgleichen suche: die Reinheit des Laboratoriums neuer Ideen – für die Künstler lediglich getrübt durch die geringen Chancen, davon leben zu können. Ein junger Student, so Graf, solle sich angesichts der herrschenden Verhältnisse ehrlich fragen, wo denn eigentlich der Knast sei: innerhalb des Filmwirtschaftssystems oder außerhalb?

Im April wird die Diskussion in München fortgesetzt. In der Stadt, die mit der Sammlung Goetz zu einem international beachteten Ort für Videokunst geworden ist, findet dann das Festival „Kino der Kunst“ als bislang weltweit einmalige Veranstaltung für Filme bildender Künstler statt. Hoch ambitioniert, mit einer Jury, der neben anderen die Künstler Cindy Sherman und Isaac Julien angehören, mit Retrospektiven, Sonderschauen und Galerienausstellungen, soll eine Antwort auf die Frage nach dem Verhältnis von Kunst und Kino aus der Praxis heraus gegeben werden. Danach wird man vielleicht wissen, ob die Kunst im 21. Jahrhundert das Potenzial besitzt, den Film diesseits digitaler Ästhetik neu zu erfinden.

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