Türkei-Konflikt schwappt nach Deutschland

Einwanderer Kurdische HDP-Partei beklagt Angriffe gegen Büros und Mitglieder auch hierzulande

Die Folgen des Brandanschlags auf das Berliner HDP-Büro Foto: privat

BERLIN taz | Erst am 3. Oktober wurde die neue Zweigstelle der Demokratischen Partei der Völker (HDP) in Berlin-Kreuzberg eröffnet, noch in der gleichen Nacht wurde sie zum Ziel eines Anschlags: Ein Molotowcocktail wurde durchs Fenster in ein Hinterzimmer geworfen, die Täter entkamen unerkannt. Die Nachbarn konnten die Flammen löschen, der Staatsschutz hat die Ermittlungen übernommen.

Für Mehtap Erol, die Berliner Sprecherin der HDP, ist klar, wen sie für die Tat verantwortlich macht: Es ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der eine „Hasskampagne gegen Kurden und kurdische Demokraten“ führe, sagte Erol an Dienstag bei einer Pressekonferenz in der Berliner HDP-Filiale. Sie zieht eine Linie von den Bomben- und Brandanschlägen auf HDP-Büros und kritische Medien in der Türkei zu der Hetze und der Gewalt gegen Kurden, die in den vergangenen Wochen auch in Deutschland zugenommen habe.

Seit in der Türkei die Kämpfe zwischen der Armee und der Untergrundguerilla PKK wieder aufgeflammt sind, haben auch in Deutschland die Spannungen zugenommen. Die Kämpfe überschatten den türkischen Wahlkampf, der auch in Deutschland geführt wird. Am 1. November soll in der Türkei ein neues Parlament gewählt werden und am vergangenen Wochenende waren deshalb gleich zwei Spitzenkandidaten in Deutschland.

Der amtierende Premierminister und AKP-Chef Ahmet Davutoğlu trat vor 7.000 Anhängern in Düsseldorf auf, sein Rivale Selahattin Demirtaş von der HDP unter anderem in Ludwigshafen und Berlin. Der türkische Präsident Erdoğan selbst trat am Sonntag vor 12.000 Anhängern im französischen Straßburg auf. Von den 53,7 Millionen türkischen Staatsbürgern leben allein 1,4 Millionen in Deutschland.

Demirtaş bat die Bundesregierung um Vermittlung zwischen dem türkischen Staat und der PKK. „Deutschland könnte und sollte hier eine gewichtigere Rolle spielen als bisher“, sagte er in Hamburg.

Bei seinen Auftritten in Deutschland war auch Grünen-Chef Cem Özdemir an seiner Seite. Erdoğan-Anhänger kritisieren, dass sich Politiker der Grünen und der Linkspartei für die HDP engagieren und damit in den türkischen Wahlkampf einschalten. Noch mehr missfällt ihnen, dass sich manche deutsche Politiker in den vergangenen Monaten sogar für Waffenlieferungen an die PKK ausgesprochen haben, weil diese in Syrien und Nord­irak gegen den „Islamischen Staat“ kämpft.

In mehreren deutschen Städten gerieten türkische Nationalisten und PKK-Anhänger in den vergangenen Wochen aneinander. Mitte September kam es in Hannover zu stundenlangen Krawallen, bei denen Flaschen und Eisenstangen flogen, ein junger Kurde wurde lebensgefährlich verletzt: Der 26-Jährige erlitt eine Stichverletzung am Hals und musste in einem Krankenhaus notoperiert werden. Der Tatverdächtige, ein 50-jähriger Deutschtürke, stellte sich später der Polizei.

„Wir fürchten um die Sicherheit unserer Mitglieder“, sagt Yüksel Koç . Er ist einer der beiden Vorsitzenden des kurdischen Dachverbands NAV-DEM, der sich etwa dafür einsetzt, das PKK-Verbot in Deutschland aufzuheben. Koç rief alle türkischen und kurdischen Organisationen einschließlich der PKK auf, sich gegen Gewalt in Deutschland und einen Frieden in der Türkei einzusetzen. „Wir dürfen diese Eskalation, die nur im Interesse Erdoğans liegt, nicht zulassen.“ Daniel Bax