Nur noch Sorgenkind

Der Aufbruch ist vorbei: Fünf Jahre nach ihrem Bezug ist die Zukunft der Internationalen Raumstation ungewiss

BERLIN taz ■ Vor fünf Jahren herrschte grenzenlose Euphorie. Als am 2. November 2000 die erste Stammbesatzung in der Internationalen Raumstation Quartier bezog, feierte die Nasa das Datum als den Tag, „von dem ab die Menschheit das Weltall nie mehr verlassen“ werde. Inzwischen ist die ISS nur noch ein Sorgenkind.

Eigentlich sollte sie 2003 fertig gestellt sein und wird es – wenn überhaupt – nicht vor Ende des Jahrzehnts. Sie sollte höchstens 30 Milliarden Dollar kosten – tatsächlich werden es wohl 100 Milliarden sein. Dass die ISS ein politisches, finanzielles und infrastrukturelles Problemprojekt ist, stand fest, bevor die erste Stammbesatzung überhaupt eingezogen war.

Es lag auch an der ursprünglichen Konzeption der ISS, die eigentlich ein Produkt des Kalten Krieges ist: Ende der Siebzigerjahre erstmals geplant, sollte eine große US-Raumstation die technologische Überlegenheit der USA wie auch die leichte Machbarkeit bemannter Raumfahrt demonstrieren.

Schon die Challenger-Katastrophe 1986 machte einen Teil dieser Pläne zunichte. Doch spätestens seit dem Absturz der Raumfähre „Columbia“ im Februar 2003 steht das gesamte Projekt ISS in Frage. Der Bau der Raumstation hängt entscheidend von weiteren Shuttle-Flügen ab. So ist beispielsweise das europäische ISS-Modul „Columbus“, das seit mehr als zwei Jahren auf seinen Flug zur ISS wartet, nur für einen Transport mit einer US-Raumfähre konstruiert und kann nicht einfach mit einer europäischen oder russischen Schwerlastrakete ins All geschossen werden. Doch der nächste Shuttle-Flug wird nicht vor Mitte kommenden Jahres stattfinden.

Immerhin hat die Nasa pünktlich zum Geburtstag der ISS ein politisches Problem gelöst: In den USA verbot bisher ein Gesetz die finanzielle Kooperation mit der russischen Raumfahrtindustrie, weil Russland den Iran bei seinen Atomplänen unterstützt. Da die Russen jedoch die Einzigen sind, die derzeit mit ihren Sojus-Kapseln die Raumstation anfliegen können, wurde das Gesetz geändert.

Von dem Wissenschaftsprojekt ISS ist kaum mehr die Rede. Dafür könnte die Raumstation zum teuersten Hotel aller Zeiten werden. Zuletzt weilte Anfang Oktober Gregory Olsen als Weltraumtourist auf der ISS, er zahlte der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos dafür 20 Millionen Dollar. Und weitere Touristen haben sich längst angemeldet. KENO VERSECK