Asylverfahren

„Alte Überzeugungen“ würden derzeit weggefegt, warnt Boris Palmer. De Maizière will Gesetze verschärfen

„Innerhalb einer Woche“

Bundesregierung Asylanträge aus sicheren Herkunftsstaaten sollen künftig binnen weniger Tage erledigt werden. Eine weitere massive Verfahrensbeschleunigung ist bei vorübergehenden Grenzkontrollen vor der Einreise vorgesehen

BERLIN taz | Die Bundesregierung plant eine radikale Beschleunigung vieler Asylverfahren. In bestimmten Konstellationen sollen sie nur noch eine Woche dauern. Das geht aus dem 128-seitigen Gesetzentwurf der Regierung hervor, der sich derzeit noch in der Ressortabstimmung befindet.

Die Dauer der Asylverfahren ist ein zentraler Kritikpunkt an Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Laut Bild am Sonntag forderte SPD-Vize Ralf Stegner sogar de Maizières Rücktritt, falls eine Beschleunigung nicht gelingt.

Die durchschnittliche Verfahrensdauer beträgt derzeit 5,3 Monate, 2014 waren es 7,1 Monate. Trotzdem schiebt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) einen Berg von rund 270.000 unerledigten Verfahren vor sich her.

Der Regierungsentwurf sieht vor, dass bei Antragstellern aus „sicheren Herkunftsstaaten“ ein beschleunigtes Verfahren angewandt werden kann. Dabei wird der Antrag immer noch individuell geprüft, aber das Verfahren soll „innerhalb einer Woche“ beendet sein.

Bisher werden Anträge vom Westbalkan (unabhängig vom Status des Landes) vom BAMF „prioritär“ bearbeitet, was aber immer noch drei bis fünf Monate dauert. Derzeit gelten Bosnien, Serbien und Mazedonien als „sichere Herkunftsstaaten“. Die Liste soll laut Gesetzentwurf um Albanien, Kosovo und Montenegro erweitert werden.

Das beschleunigte Verfahren soll auch anwendbar sein, wenn der Antragsteller nichts Asylrelevantes vorträgt, wenn er falsche Angaben macht oder wenn er einen Folgeantrag stellt, nachdem sein Erstantrag auf Asyl abgelehnt wurde.

Inhaftierung vor Einreise

Eine weitere massive Verfahrensbeschleunigung ist an der Grenze vorgesehen, solange es vorübergehende Grenzkontrollen gibt. Hier sollen Asylantragsteller sofort inhaftiert werden können, bevor sie als eingereist gelten. Noch an der Grenze soll dann geprüft werden, ob Anträge unzulässig oder „offensichtlich unbegründet“ sind. Als „offensichtlich unbegründet“ gilt ein Antrag zum Beispiel, wenn der Antragsteller offensichtlich „aus wirtschaftlichen Gründen“ eingereist ist oder „um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen“.

Die Grenzpolizisten sollen dazu künftig Anhörungen durchführen (nachdem sie eine „Grundschulung“ erhalten haben). Die Entscheidung soll aber weiter das BAMF treffen. Wenn binnen einer Woche keine Entscheidung fällt oder der Antrag aussichtsreich ist, kann der Antragsteller einreisen und kommt in eine Erstaufnahme-Einrichtung.

Bei allen anderen Asylanträgen soll das Prüfverfahren „innerhalb von drei Monaten, längstens innerhalb von sechs Monaten“ abgeschlossen sein. In komplexen Fällen oder wenn es zu viele Anträge gibt, kann die Frist aber auf 15 Monate verlängert werden.

Sozialministerin Andrea Nahles hat am Wochenende de Maizières Vorschlag abgelehnt, Dublin-Flüchtlingen nur noch den „Reisebedarf“ in das zuständige Asylland zu gewähren. Das Bundesverfassungsgericht habe klar gesagt: „Existenzminimum ist Existenzminimum.“

Christian Rath