Afghanistan

In der Stadt Kundus hatten die deutschen Isaf-Truppen ihr Feldlager. Ende des Jahres 2013 zogen sie ab. Jetzt sind die Taliban wieder da

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Genau ein Jahr im Amt: Präsident Aschraf Ghani Foto: ap

Jubilar ohne Feierlaune

Sein erstes Amtsjubiläum hat sich Afghanistans Präsident Aschraf Ghani sicher ganz anders vorgestellt. Denn das haben ihm die Taliban mit der Eroberung von Kundus, Afghanistans fünftgrößter Stadt, gründlich vermiest. In seiner Ansprache an die Nation versprach Ghani am Dienstag, Kundus zurückzuerobern. Die Bevölkerung solle den Regierungs­truppen vertrauen und nicht „Angst und Terror“ nachgehen. Der Feind habe „erhebliche Verluste“ erlitten.

Doch Zahlen nannte Ghani nicht. Seinen Zuhörern dürfte auch nicht entgangen sein, dass Kundus noch längst nicht zurückerobert ist. Aber der asketische 66-jährige Ghani ist ohnehin als Visionär bekannt.

In seinem ersten Amtsjahr hat er ernsthaft versucht, Verhandlungen mit den Taliban in Gang zu bekommen. Dafür reiste er persönlich nach Islamabad und Peking. Wohl wissend, dass die Taliban nach wie vor stark vom pakistanischen Militärgeheimdienst instrumentalisiert werden und wiederum China einen starken Einfluss auf Pakistan hat.

Peking engagierte sich denn auch deutlicher als bisher, was selbst die USA goutierten. Innenpolitisch erntete Ghani dabei schon Kritik, zu sehr dem Nachbarn Pakistan nachzugeben. Dann kam es Anfang Juli in Pakistan zu den ersten substanziellen Gesprächen von Vertretern Kabuls mit den Taliban. Doch vor der nächsten Runde wurde lanciert, dass deren Chef Mullah Omar schon zwei Jahre tot ist und die Gespräche nicht wie behauptet mit dessen Segen stattgefunden haben konnten. Seitdem sind auch die Gespräche tot.

So hat der Nachfolger Hamid Karsais in seinem ersten Amtsjahr nicht viel erreicht. Das liegt auch daran, dass er und sein größter Rivale, der „Geschäftsführer“ der Regierung, Abdullah Abdullah, sich oft gegenseitig blockieren. Sie mussten von den USA erst zur Zusammenarbeit gezwungen werden.

Dabei brachte Ghani eigentlich gute Voraussetzungen für seinen Job mit. Der Anthropologe war jahrelang bei der Weltbank und hat sich viel mit der Entwicklung gescheiterter Staaten beschäftigt. Der Paschtune hat in Russland, Indien und China gearbeitet und sich persönlich mit den dortigen Transformationsprozessen beschäftigt. Doch hat er nicht nur das Image eines Technokraten und keine eigene Hausmacht, sondern bisher auch kein Fortune. Sven Hansen