Obama darf das Klima schützen

SIGNAL Das Votum der US-Umweltbehörde EPA stärkt die Position des Präsidenten bei den Verhandlungen in Kopenhagen. Die Frage ist, ob er die neue Macht auch nutzen wird

„Erst in der zweiten Woche, wenn die Minister und Regierungschefs verhandeln, wird sich zeigen, was die USA wirklich bereit sind zu tun“

AUS KOPENHAGEN NADINE MICHEL

US-Präsident Barack Obama kann gestärkt in der kommenden Woche zum Klimagipfel fliegen. Denn die US-Umweltbehörde EPA hat am späten Montagabend offiziell klimaschädliche Treibhausgase als gesundheitsschädlich bezeichnet. Damit hat Obama nun die Möglichkeit, die geplante Minderung des Kohlendioxidausstoßes der USA auch ohne langwieriges Gesetzgebungsverfahren anzuordnen. Die entsprechende Gesetzesvorlage hat zwar bereits das Repräsentantenhaus passiert, hängt seit längerem im US-Senat fest. Sein Votum wird nicht vor dem kommenden Frühjahr erwartet. Am US-Senat war die Klimaschutzpolitik des früheren Präsidenten Bill Clinton und seines Vizes Al Gore gescheitert.

Die EPA-Entscheidung basiert auf einem Urteil des Obersten Gerichtshofes der USA aus dem Jahr 2007. Unter Obamas Vorgänger George W. Bush war die EPA aber untätig geblieben. Obama sorgte aber für einen Wechsel an der Spitze der Behörde und berief Lisa P. Jackson vor rund einem Jahr zur Leiterin. Die frühere Umweltkommissarin von New Jersey ist Mitglied der Demokratischen Partei und hatte sich in ihrem früheren Amt den Ruf einer engagierten Umweltpolitikerin im Bereich Energie und Klima erworben.

In Kopenhagen wurde die Nachricht mit vorsichtigem Optimismus aufgenommen. „Es ist ein wichtiger Schritt, aber es ist nur ein Schritt“, sagte Damon Moglen von Greenpeace USA. Wenn die Umweltbehörde zu dem Ergebnis komme, dass Treibhausgase so gefährlich sind, dann müsse die US-Regierung auch sagen, wie viel und wie sie die Emissionen reduzieren wolle. „Wir sind bisher sehr unzufrieden mit den schwachen Klimazielen. Die Einschätzungen von der EPA müssen dazu führen, dass Obama ambitioniertere Zahlen auf den Tisch legt. Das ist bisher nicht der Fall“, sagte Moglen. „Unsere Regierung hofft, dass mit dem Signal andere Länder denken, dass wir uns bei den Verhandlungen bewegen und vorangehen würden, aber in Wirklichkeit sind wir bisher ein großer Bremser.“

Ähnlich sieht es Jing Ma von der chinesischen Jugenddelegation. „Erst in der zweiten Woche, wenn die Minister und Regierungschefs verhandeln, wird sich zeigen, was die USA wirklich bereit sind zu tun.“

Joe Pouliot von der Umweltschutzorganisation WWF USA sieht hingegen ein klares Signal, dass US-Präsident Obama den Klimawandel sowohl an die 192 Verhandlungsstaaten als auch an den heimischen Senat ernst nehme. „Aber das reicht noch nicht“, sagte Pouliot. „Die Verhandler werden ganz genau zuhören, ob Klimaschutz bei Obama höchste Priorität genießt.“ Außerdem sagt er: „Wir brauchen ein Gesetz, denn die Regulierung durch die Umweltbehörde könnte durch eine neue Regierung wieder rückgängig gemacht werden.“ Der Senat habe jetzt die Wahl: das Klimagesetz verabschieden oder nichts tun. „Das wäre allerdings der teuerste Weg, Klimaschutz zu betreiben“, sagt Pouliot. „Denn das Klimagesetz gäbe auch der Wirtschaft einen Spielraum, kostengünstig Klimaschutz zu betreiben. Die EPA würde diese Flexibilität nicht erlauben.“

Für Christoph Bals, Geschäftsführer der Nord-Süd-Initiative Germanwatch, zählt vor allem ein Aspekt: „Die Entscheidung der Umweltbehörde verändert die Glaubwürdigkeit, mit der die USA hier in Kopenhagen auftreten“, sagte Bals. Er bezeichnete den Schritt als eine Art „Rückversicherung“, dass die angebotenen Klimaziele auch wirklich erfüllt würden – egal ob mit oder ohne Klimagesetz. Zwar könne eine neue US-Regierung eine Regulation wieder rückgängig machen. Der Vorteil sei jedoch, dass auch Sektoren, die nicht im angestrebten Emissionshandel inbegriffen sind, reguliert werden könnten. Insgesamt werde der Verhandlungsspielraum der US-Delegation durch die Entscheidung der Behörde nicht vergrößert. „Aber in der letzten Runde, wenn alle Staats- und Regierungschefs vor Ort sind, könnte Obama nun vielleicht doch noch ein paar Prozentpunkte beim Reduktionsziel drauflegen.“

Der Chef des UN-Klimasekretariats Ivo de Boer sprach sich trotz des Votums der Umweltbehörde für eine gesetzliche Lösung aus: „Ich weiß, wie schwierig es für das US-Klimagesetz war, das Repräsentantenhaus zu passieren, und ich kenne die Schwierigkeiten im Kongress“, sagte er. Trotzdem halte er diesen Weg durch die Instanzen für den besseren: „Das Verfahren der EPA sollte nur ein Stock sein, den man in der Tür behält.“