Ermittlungen gegen Ex-VW-Chef

EMISSIONEN Eine Untersuchung zeigt: Die Tricks haben zugenommen.Der Abstand zwischen Testergebnissen und dem realen Verbrauch wächst

„Schwerpunkt der Ermittlungen liegt auf dem Vorwurfdes Betruges“

Staatsanwaltschaft

BERLIN taz | Im VW-Skandal hat jetzt der Staatsanwalt das Wort. Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft leitete am Montag aufgrund von eingegangenen Strafanzeigen Ermittlungen gegen Ex-VW-Chef Martin Winterkorn ein. „Der Schwerpunkt der Ermittlungen liegt auf dem Vorwurf des Betruges durch den Verkauf von Kraftfahrzeugen mit manipulierten Abgaswerten“, so die Behörde. Zielrichtung der Ermittlungen sei es insbesondere, die Verantwortlichkeiten zu klären.

Winterkorn war am vergangenen Mittwoch als VW-Chef zurückgetreten. Zuvor hatte er den Betrug von VW zugegeben und sich dafür entschuldigt. Weltweit sind nach Konzernangaben elf Millionen Fahrzeuge von dem Skandal betroffen. Davon entfallen allein auf die Marke VW Pkw fünf Millionen Wagen, bei Audi sind es 2,1 Millionen Stück, bei Skoda 1,2 Millionen. Noch unklar ist, wie viele es bei der spanischen VW-Tochter Seat sind.

Volkswagen will in den nächsten Tagen einen Maßnahmen- und Zeitplan veröffentlichen. Dann soll klar sein, welche Fahrzeuge wann zurückgerufen werden sollten. Das Flensburger Kraftfahrtbundesamt hat VW bis zum 7. Oktober eine Frist gesetzt, um einen konkreten Plan zur Lösung des Problems vorzulegen. Doch die Umsetzung kann dauern. „Von vornherein zu sagen, in einem halben Jahr muss das erledigt sein, wäre wahrscheinlich unrealistisch“, sagte ein Behördensprecher.

Glück im Unglück hat VW durch den Umstand, dass die Abgasmanipulationen zwar die Umwelt und die Gesundheit von Passanten schädigen – aber die Nutzung der Fahrzeuge kein Sicherheitsrisiko im Verkehr darstellt. Im Unterschied zu manch anderen Fehlern der Autokonzerne, die in den letzten Jahren zu großen Rückrufaktionen führten.

So rief Fiat Chrysler gerade 1,7 Millionen Fahrzeuge in Nordamerika wegen Problemen mit dem Lenkrad zurück. VW musste in den USA zuletzt gut 400.000 Autos wegen Airbag-Problemen in die Werkstätten holen. Und General Motors rief im vergangenen Jahr 2,6 Millionen Fahrzeuge wegen Problemen an Zündschlössern zurück. In diesem Zusammenhang musste sich der US-Konzern juristisch auch für Unfälle und Tote verantworten. Das technische Problem: Während der Fahrt konnte der Zündschlüssel unbeabsichtigt in die Aus-Position springen – und damit Funktionen wie Servolenkung, Bremskraftverstärkung und Airbag-Auslösung deaktivieren. General Motors kam in den USA Mitte September mit einer Strafe von 900 Millionen Dollar davon.

Eine neue Untersuchung des Dachverbandes der Umwelt- und Verkehrsverbände Transport & Environment (T&E) hat unterdessen bestätigt, dass die gängigen Testverfahren bei Autos immer weniger aussagekräftig sind – auch ohne Betrügereien wie von VW. Grund dafür sind legale Tricks, durch die die Abgas- und Verbrauchswerte in den Labortests gesenkt werden – etwa durch überhöhten Reifendruck oder abgeklebte Felgen –, sodass die erzielten Werte deutlich geringer sind als bei durchschnittlichem Fahren auf der Straße.

„Die Lücke zwischen den Test­ergebnissen und den Werten in der realen Welt hat sich zu einem Abgrund entwickelt“, teilte der Dachverband mit. Betrug sie laut Studie im Jahr 2001 noch 8 Prozent, so waren es im Jahr 2012 schon 31 Prozent, und bereits 40 Prozent im Jahr 2014. Ohne Gegenmaßnahmen werde diese Lücke immer weiter wachsen. Das geltende Verfahren zur Ermittlung des Kraftstoffverbrauchs und der Emissionen sei völlig diskreditiert.

Die größten Abweichungen beim Verbrauch stellte der Verband bei Daimler mit knapp 50 Prozent fest. Citroën/Peugeot, General Motors und BMW kamen auf knapp 40 Prozent Abweichung, gut 35 Prozent hatten Renault, Ford und Volkswagen. Fiat und Toyota blieben mit einer Abweichung von knapp 30 beziehungsweise gut 25 Prozent unter dem Durchschnitt.

Richard Rother

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