Über sieben Bühnen musst du gehen

Joint Venture Rock im Rundlauf: Bei der „Berlin Independent Night“ am Samstag geht es durch sieben Clubs beiderseits der Spree vom Astra übers Lido bis zum Magnet-Club, der mittlerweile Musik & Frieden heißt

Immer Betrieb auf der Schlesischen Straße. Mit dem Lido als gut rockende Orientierungsmarke Foto: Fabian Zapatka/laif

von Andreas Hartmann

Die Gegend rund um das Schlesische Tor und die Oberbaumbaumbrücke, dort, wo Kreuzberg in Friedrichshain übergeht, wird auch „Technostrich“ genannt, weil an den Wochen­enden die Gegend mit ihren zahlreichen Clubs wie ein einziges, riesengroßen Bespaßungs­areal für Partywillige wirkt. Doch das ist, zumindest was die musikalische Fokusierung auf Techno betrifft, eine etwas verzerrte Wahrnehmung. Das wird allein schon deutlich, wenn man sich die ganzen Läden anschaut, die geografisch in derselben Ecke angesiedelt sind wie die Bumm-bumm-Clubs – und die sich nun zum sechsten Mal zur Präsentation der „Berlin Independent Night“ zusammengeschlossen haben. Astra, Lido, Bi Nuu, Privatclub, Badehaus Szimpla, Rosi’s und Musik & Frieden, ehemals Magnet, sind allesamt Locations, in denen so ziemlich alles läuft außer Techno.

Eher um Indie und Rock geht es hier, und dementsprechend ist das international sortierte Line-up mit über zwanzig Bands, die während der „Berlin Independent Night“ heute am Samstag in den genannten Clubs auftreten werden. Das Ganze ist so eine Art „Lange Nacht der Kreuzberg-Friedrichshainer Rockschuppen“, ein Kiezfestival, bei dem man beim Erwerb eines einzigen Tickets diverse Bands verteilt auf sieben Bühnen sehen kann. Man zieht dann wie auf einem regulären Festival – etwa auf dem Weg vom Auftritt der einen Band im Bi Nuu zum nächsten einer anderen im Astra (wo die „Amore“-Rocker Wanda auftreten) – an diversen Fressbuden an der Straße vorbei und holt sich noch irgendwo ein Bier für unterwegs.

Toll ist, dass man im Bedarfsfall nicht vor irgendwelchen Dixi-Toiletten anstehen muss, man erleichtert sich einfach auf der Oberbaumbrücke, das machen schließlich alle Clubgänger hier so, wie man deutlich riechen kann, wenn man mal mit dem Fahrrad über die Brücke fährt und der Wind ungünstig weht.

Nach aktuellen Debatten rund um die Schließung des Stattbad Wedding und der Neuen Heimat auf dem RAW-Gelände in Friedrichshain wirkt so ein Zusammenschluss diverser Clubs wie eine kleine Geste, die besagt, dass man in der Berliner Nachtlebenbranche auch in vermeintlich härter werdenden Zeiten zusammensteht.

Schon werden ja wieder fleißig die Gesänge vom Club­sterben angestimmt, was jedes Mal passiert, wenn irgendwo in Berlin ein Etablissement schließt, in dem man Spaß haben konnte. Vergessen wird dabei meist, dass für jede Ausgehlocation, die bedauerlicherweise schließt, an anderer Stelle in der Stadt zwei neue Vergnügungsstätten eröffnen.

Es gibt jedenfalls kein Club­sterben in Berlin, ganz im ­Gegenteil. Und wenn die für ihren Streetfood-Markt bekannte Neue Heimat nun geschlossen hat, weil ihr der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg die Genehmigung verwehrt hat, sich in eine Partylocation umzuwandeln, kann man auch ein wenig den Bezirk verstehen. Denn was die Gegend auf beiden Seiten des Spreeufers in Friedrichshain-Kreuzberg wirklich nicht mehr braucht, ist ein weiterer Club.

Ein Clubsterben in Berlin können auch die Betreiber des Musik & Frieden nicht erkennen, wie sie in einem Interview mit der Berliner Zeitung kundgaben. Das Magnet, fast zehn Jahre im Prenzlauer Berg beheimatet und nach seinem Umzug nach Kreuzberg immerhin fünf Jahre in der Falckensteinstraße, ist seit Kurzem Geschichte. In dessen Räumlichkeiten samt dem Comet-Club befindet sich nun das Musik & Frieden, das den Club-Rundlauf am Samstag auch nutzt, sich als die neue Adresse am Schlesischen Tor zu präsentieren.

Die „Berlin Independent Night“ heute am Samstag ist ein prima Angebot für alle, die gern auch in Bewegung bleiben wollen beim Hören. Bei der sechsten Auflage des Pop-Rundlaufs beiderseits der Spree kann man mehr oder weniger fußläufig sieben Clubs abklappern. Konzerte gibt es im Astra, Lido, Bi Nuu, Privatclub, Badehaus Szimpla, Rosi’s und Musik & Frieden (ehedem Magnet und Comet).

Musikalisch gibt man sich bei der Independent Night mit 25 Gruppen kunterbunt, vom charmant rumpelnden Surf-Pop mit La Luz über den Folk vom Young Rebel Set bis zu der Wiener Band Wanda. Einlass in den Clubs ist um 19 Uhr. Das Rundumticket gibt es für 29 Euro. Info: www.berlinindependentnight.de

Noch werden die Räumlichkeiten umgebaut, die offizielle Eröffnung vom Musik & Frieden wird erst im Dezember sein. Die Konzerte aber, die noch für das Magnet gebucht wurden, finden weiterhin in dem Club statt, hinter dem neue Macher stecken. Landstreicher Booking nämlich, eine Konzert- und Künstleragentur, die es erst seit sechs Jahren gibt, in dieser Zeit aber rasend schnell gewachsen ist, vor allem durch starkes Engagement in den neuen Bundesländern.

Landstreicher ist im deutschen und internationalen Rock- und Hip-Hop-Bereich tätig, hat Erfolgsacts wie Casper, K.I.Z. und Kraftklub aufgebaut und scheint somit einiges davon zu verstehen, wie man gepflegten Indiekram mundgerecht aufbereitet.

Noch vor einem Jahr feierte Landstreicher sein Jubiläum zum Fünfjährigen im Magnet und man wies auf der eigenen Homepage darauf hin, dass diese Feier auch gar nirgendwo anders als in dem traditionsreichen Club stattfinden könne. Da ist es letztlich nur folgerichtig, dass man den Laden jetzt einfach ganz übernommen hat. Zumindest während der „Berlin Independent Night“ aber wird das Magnet noch ein wenig weiterleben. Auf der Facebookseite zur Veranstaltung konnte man sich noch nicht dazu durchringen, das Magnet jetzt Krieg & Frieden zu nennen.