Wessen Land ist Deutschland?

LINKER PATRIOTISMUS „Es ist unser Land“, meinte am vergangenen Wochenende Peter Unfried und forderte linke Patrioten, die anpacken

Gartenzwergerei Foto: dpa

Es hat mich gefreut

betr.: „Dann ist das mein Land“, taz vom 19. 9. 15

Chapeau, Herr Unfried, für Ihren Artikel. Als ich Ende der 80er zu einem Studienaufenthalt in den USA war, hab ich ein bisschen die dortigen Linken, die wenigen Grünen und die Kriegsgegner (ja meine lieben Linken, es gibt sie auch in den USA) beneidet, die mit einem für deutsche Augen und Ohren ungewöhnlichen Patriotismus ihre Werte und Meinungen sehr deutlich gegen den Einsatz der USA im Irakkrieg vertreten haben. Dies hat meine Meinung geschärft, dass es unsinnig und auch gefährlich ist, alles Patriotische den Rechten zu überlassen. Es braucht einen positiven Patriotismus im Sinne einer Bloch’schen Heimatverbundenheit. Es ist unser Land, wir sollten es im positiven Sinne gestalten, um allem nationalistischen braungefärbten Hurrapatriotismus etwas gegenüberzustellen. Wie Sie weiter richtig anmerken, man muss seinem Gemeinwesen positiv verbunden sein, um etwas zu verändern.

Es hat mich gefreut diese Position in der taz zu lesen. Vielen Dank dafür.

HARTMUT SEITZ-BAY, Heilbronn

Christliche Ideen

betr.: „Dann ist das mein Land“, taz vom 19. 9. 15

Ich möchte diesen Leserbrief mit zwei Zitaten aus einem weiteren Artikel dieser Ausgabe beginnen: „Auch die Christen hatten keine Heimat“ und „Die Idee des christlichen Abendlandes war ja die Idee der Freiheit, der offenen Grenzen.“

Wenn diese Idee bei CDU, CSU und letztlich auch den Grünen umgesetzt würde, wäre dieses Gerangel um die Flüchtlinge vollkommen obsolet und auch ein Herr Bosbach, der sich selbst als bekennender Christ bezeichnet, müsste nicht wieder seinen Senf dazugeben. Es würden notwendige Taten folgen, die eine schnelle Integration ermöglichen. Weiter würde ein Blick in die Statistik des Statistischen Bundesamtes zum Zuzug aus dem Ausland nach Deutschland, die hochgekochte „Dramatik“ um die Flüchtlingszahlen ganz schnell abkühlen.

Aber viel wichtiger, es bedürfte keiner Diskussion für eine erweiterte Drittstaatenregel, um Flüchtlinge abzuschieben, und es gäbe keine Diskussion darüber, ob das von Deutschland zu „stemmen“ ist, was als Flüchtlingsstrom abqualifiziert wird. ALBERT WAGNER, Bochum

Schade eigentlich

betr.: „Dann ist das mein Land“, taz vom 19. 9.15

Es ist ja verdienstvoll, wenn Leute ein echtes Anliegen und eine Meinung dazu haben. Aber echt jetzt mal – diese polemischen Plattheiten aus der Mottenkiste des Linken-Ba­shings ist alles, was euer Chef­reporter zu dieser recht ernsthaften Angelegenheit aufzubieten hat?

Intellektuelle Beleidigung wäre jetzt freundlich formuliert. Aber wenn man so hemdsärmelig die Realität anpackt, die man, das ist vermutlich hart, irgendwie als Einziger checkt (und die Herr Unfried gleichzeitig anscheinend fies, weil schmutzig findet – auch interessant, diese abwertende Haltung), tja, dann hat man wohl keine Kapazitäten für differenziertes Denken. Schade eigentlich.

SABINE STÖVESAND, Hamburg

Es ist unsere Welt

betr.: Dann ist das mein Land“, taz vom 19. 9. 15

Alle paar Tage dieses ökogefärbte Gutnationaltum auf Seite 2, diese Hemdsärmel-Gartenzwergerei. Man muss nicht auch noch in der taz das Märchen vom Gutmenschen erzählen, der „nur redet und nichts tut“, „der nur träumt und nichts verändert“. Das ist nur sexistische Mann-der-Tat-Kackscheiße. „Es ist unsere Welt“ – damit kann ich was anfangen. ECCO MEINEKE, München

Einfache Geschichte

betr.: „Dann ist das mein Land“, taz vom 19. 9. 15

Das Erste, was mir auffiel: Ich musste den Text mehrfach lesen. Denn einiges wird nur angedeutet und LeserInnen vorausgesetzt, die zu 100 Prozent über die aktuellen Geschehnisse informiert sind.

Unfried fordert linken Patriotismus ein. Kern ist offenbar: „Moral kann sich nur im Handeln vollziehen“ und „sich die Hände schmutzig machen“. Ach so ist das. Damit einher geht bei ihm die Forderung an die Grünen, keine roten Linien zu definieren. Unfried, meint also wirklich, wie Kretschmann und offenbar viele Grüne, dass für das Geld, das Merkel den Ländern und Kommunen bereitstellen will, das Asylrecht weiter durchlöchert wird. Bitte? Und das soll etwas mit linker Gesinnung zu tun haben?

Hier geht es um eine ziemlich einfache Geschichte: Es kommen Menschen in unser Land, die verfolgt, unterdrückt, gefoltert wurden und/oder schlicht und ergreifend ein besseres Auskommen suchen. Es ist klar, dass Deutschland für diese Menschen Verantwortung trägt, teils, weil es an diesen Konflikten schlicht beteiligt ist und daran viel Geld verdient, teils, weil es einfach menschlich ist, diesen Menschen zu helfen. Da ist es sonnenklar, dass die Staatsebene, die finanziell am besten gestellt ist, das ist der Bund, Geld für die anstehenden Aufgaben zur Verfügung stellt, wie es auch in der taz in der vergangenen Woche mehrfach eingefordert wurde. Menschenrechte sind unteilbar, Herr Unfried. Das ist im übrigen eine linke Position.

MICHAEL DROSS, München

Devot einknicken?

betr.: „Dann ist das mein Land“, taz.de vom 18. 9. 15

Der sogenannte „linke Patriotismus“ und seine historischen Glanzleistungen reichen von der Bewilligung der Kriegskredite 1914, das Zurückgreifen auf reaktionäre Freicorps zu Beginn der Weimarer Republik über den Radikalenerlass in der BRD der 70er bis zum ersten Kriegseinsatz des vereinigten Deutschland unter Rot-Grün – um nur einige ausgewählte Spitzen der vielen sozialdemokratischen und später mit Realogrün gespickten (Bio-)Eisberge zu nennen.

Natürlich muss die Linke raus aus den verrauchten Hinterzimmern und statt ewiger Programmdebatten mit anpacken und zu Kompromissen fähig sein. Aber sie führt sich selber ad absurdum, wenn sie bereitwillig vor den herrschenden Verhältnissen devot einknickt und mit dem E-Cayenne bei der Bio-Company ihren Standpunkt in zweiter Reihe parkend demonstriert.

PEPPONE, taz.de

Hemdsärmelig

betr.“ Dann ist das mein Land“, taz.de vom 18. 9. 15

Sehr schöner hemdsärmelig optimistischer Artikel. Ob das SchwarzRotGelbGrünViolett klingt, ist mir zunächst egal, es wird Zeit sich das Wort Patriotismus, welches für mich immer noch unangenehm nach Ausgrenzung und Überheblichkeit klingt, zurückzuerobern. Und wieder mit Werten wie Solidarität, Empathie und Naturverbundenheit zu füllen. Erscheint mir zumindest erfolgsversprechender als traditionelles Lagerdenken à la Antideutsche gegen Patrioten.

Zugegeben, ohne neoliberales Weltmonopoly wäre linke Politik vermutlich einfacher, aber auf dessen baldiges Ende zu warten genügt mir irgendwie nicht mehr. JOZY, taz.de

Einsatz zwischen den Wahlen

betr.: „Wir sind Luschen“, taz vom 19. 9. 15

Was ist das eigentlich für eine Version von Gesellschaft, die Jürn Kruse sich da vorstellt? Diebe bestraft man nicht, indem man den Umgang mit ihnen meidet. Diebe werden verurteilt und eingesperrt und genauso sollte es mit Steuerhinterziehern laufen. Wenn Apple keine Steuern zahlt – vermutlich weil Gesetze das zulassen –, dann ist nicht der Homo oeconomicus gefragt, sondern der Homo politicus. Für eine gute Steuergesetzgebung kann man sich auch zwischen den Wahlen einsetzen. Das bringt mehr als die Suche nach dem sauber versteuerten Gerät. KLAUS SCHRÖDER, Paderborn

Moralische Keule

betr.: „Macht und Feigheit“,taz vom 19. 9. 15

Mürvet Öztürk schwingt die moralische Keule und verurteilt mögliche Änderungen des Asylrechts pauschal als Zurückweisung „Schutzsuchender“ . Schutz vor Bomben, Zwangsrekrutierung in Armeen u. Ä. finden Millionen von Menschen in Nachbarländern ihrer jeweiligen Region. Wer trotz hoher Kosten und oft gefährlicher Wege Deutschland als Ziel hat, sucht mehr, nämlich eine langfristige Lebensperspektive. Wie schwierig und mühsam es bei aller „Willkommenskultur“ ist, dieses neue Leben aufzubauen, wissen Asylbewerber, die schon länger hier sind, und mit ihnen diejenigen, die sie ehrenamtlich unterstützen. Wer die Arme öffnet und suggeriert, man könne alle aufnehmen und integrieren, die es bis hierher schaffen, ist verantwortungslos, auch den Menschen selbst gegenüber.

BRIGITTE REINHARDT,

Bad Homburg

Kein Unfall

betr.: „Super-GAU für Deutschlands Industrie“, taz vom 23. 9. 15

„GAU“ steht für „Größter anzunehmender Unfall“, aber um einen „Unfall“ handelt es sich doch ganz eindeutig nicht. Im Zentrum der Aufmerksamkeit sollte doch die kriminelle Aktivität selbst stehen! So ein groß angelegter Betrug ist nicht möglich ohne zielstrebiges kriminelles Handeln und generalstabsmäßige Planung, und es ist ja wohl ausgeschlossen, dass daran nur untere Chargen der Konzernhierarchie beteiligt waren. Herr Winterkorn ist nun zwar zurückgetreten, aber die Öffentlichkeit ist „so klug als wie zuvor“. Man darf neugierig sein, ob jemals aufgeklärt wird, wer die wirklichen Urheber dieser kriminellen Machenschaften sind. Jammern über Minderung der Exportchancen der deutschen Industrie ist zwar eine verständliche, aber eigentlich doch unangemessene Reaktion auf dieses Desaster.

WINFRIED SCHUMACHER, Köln

Fundamentale Probleme

betr.: „Scheitert VW, scheitert Deutschland“, taz.de vom 22. 9. 15

Die fundamentalen Probleme werden nicht angesprochen:

1. Der Lobby-Einfluss auf die Politik, welche dazu führt, dass absichtlich mangelhaft kontrolliert wurde. 2. Keine echte Haftung der deutschen und europäischen Industrie für Schäden, die sie anrichtet. In diesem Fall der massiven und illegalen Gesundheitsschädigung müssten Strafen in einer Höhe fällig werden, dass die Aktien des Unternehmens sofort wertlos sind, also quasi eine Verstaatlichung geschieht. (Simple Rechnung: In den USA werden für 0,5 Millionen Fahrzeuge wohl 10 Milliarden Euro Strafe fällig, folglich weltweit für 11 Millionen Fahrzeuge 220 Milliarden Strafe an die entsprechenden Bevölkerungen/Länder.)

XXX, taz.de