DIE LobbyistIN der Woche
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Eingeknickt und noch immer da

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Andrea Kocsis hatte es zuletzt nicht leicht. Das Agieren der stellvertretenden Verdi-Bundesvorsitzenden im Tarifkonflikt mit der Deutschen Post sorgte nicht gerade für Jubelstürme an der Gewerkschaftsbasis. Doch auf dem Verdi-Bundeskongress in Leipzig zeigten sich die knapp über 900 Delegierten großmütig. Keiner wollte von ihr wissen, warum sie Anfang Juli völlig überraschend den Streik vorzeitig beendet und einem Abschluss zugestimmt hatte, der Lichtjahre von den eigenen Forderungen entfernt ist: keine Wiedereingliederung der outgesourcten PaketzustellerInnen unter den Haustarifvertrag, keine Arbeitszeitverkürzung und eine Lohnerhöhung, die deutlich hinter denen in anderen Branchen zurückbleibt – und dass trotz der Milliardengewinne der Post.

Da wären kritische Nachfragen nicht verwunderlich gewesen. Stattdessen wurde der 50-Jährigen, die auch stellvertretende Post-Aufsichtsratsvorsitzende ist, demonstrativ der Rücken gestärkt. Der Tarifabschluss werde durchaus positiv gesehen, „wenn man ihn erklärt“, sagte die Delegierte Renate Birkel. „Die meisten Kritiker dieses Abschlusses sind entweder die Streikbrecher oder die Nichtmitglieder oder diejenigen, die nahe beim Arbeitgeber stehen.“

In ihrer Bewerbungsrede sprach Kocsis von der „brutalsten Auseinandersetzung, die ich persönlich je erlebt habe“. Einziges Ziel des Postvorstands sei gewesen, „Verdi im Betrieb das Rückgrat zu brechen“. Aber das sei nicht gelungen: „Wir sind noch da.“ Denn die Gewerkschaft sei „eine tolle Gemeinschaft“. Und nicht nur das: „Wir sind die Guten, wir sind die Anständigen, und wir sind die Aufrechten.“ Das kam an: Bei ihrer Wiederwahl erhielt die frühere Briefzustellerin mit 90,2 Prozent der Stimmen ein Spitzenergebnis. Pascal Beucker