der rote faden
: Mensch und Maschine:
Wer überwacht wen?

nächste wocheRieke Haverzt Foto: Helena Wimmer

durch die woche mit

Meike Laaff

VW

Danke, VW.

Bei den Abgaswerten behumst, Software erkennen lassen, wann das Auto im Labor getestet wird, um dann einen auf öko zu machen – das versteht jeder. Und damit endlich auch, dass es zum Problem werden kann, dass ohne all diese digitalen Sensoren und Steuergeräten, ohne Software kaum noch etwas funktioniert. Dann nämlich, wenn Firmen sich nicht mehr in die Karten gucken lassen, wie da eigentlich genau was im Hintergrund passiert. Wenn sie Chips in Plastik einschweißen, damit ja niemand daran herumfinken kann.

Neu ist so was natürlich nicht. Apple behandelt seine Kunden ja schon von jeher wie Kleinkinder, die bitte schön Gerät und digitales Ökosystem immer schön geschlossen lassen – und trotzdem kaufen die Leute das Zeug wie wild. Und doch führt uns der VW-Fall vor Augen, was es eigentlich heißt, wenn um uns herum kaum mehr ein Gerät ohne Internetverbindung, Code und Sensoren funktioniert. Das Internet of Things, das war lange irgendein Gerede von Kühlschränken, die selbstständig Milch nachordern. In Wahrheit leben wir aber längst darin – vom digitalen Stromzähler, aus dessen Verbrauchswerten sich allerlei über unser Verhalten zu Hause ablesen lässt, bis eben hin zum Computer auf vier Rädern, der uns zwar noch ein Lenkrad lässt. Aber eigentlich, mit hunderten von Sensoren und Steuergeräten, schon jede Menge menschliche Kontrolle an Softwaresteuerung übergeben hat. Was man selten liest in Feuilletontexten, die vor Googles selbstfahrendem Auto warnen.

Doctorow

Je intimer die Lebensbereiche, bei denen wir uns von Software unterstützen lassen, desto wichtiger, dass eben jene Technik transparent und im Sinne ihrer Nutzer arbeitet. Oder, wie der Internetaktivist Cory Doctorow schon vor fast fünf Jahren auf dem Kongress des Chaos Computer Clubs sagte: „Wenn ich in mein Auto steige – ein Computer, in den ich meinen Körper setze – mit meinem Hörgerät – ein Computer, den ich in meinen Körper stecke – dann will ich wissen, dass diese Geräte nicht so designt sind, dass sie Geheimnisse vor mir haben. Oder mich abhalten, Prozesse zu beenden, die sie ausführen und die gegen meine Interessen verstoßen.“ Um dann die Möglichkeit einzufordern, Geräte überwachen zu können, als „ehrliche Diener unseres Willens, nicht als Verräter und Spione, die für Kriminelle, Strolche und Kontrollfreaks arbeiten“.

Was damals außerhalb des Szene recht resonanzfrei verhallte – jetzt aber, wo es Autofahrern an die Verbrauchswerte geht, endlich mehr Dringlichkeit zugesprochen bekommt.

Code

Denn: Es ist eine Sauerei, wenn Firmen ihre Kunden und die Regierungen betuppen und den Code, den sie dafür nutzen, auch noch geheimhalten können. Unter Berufung aufs Urheberrecht. Um Machenschaften wie denen von VW nicht nur zufällig auf die Schliche zu kommen, braucht es mehr Transparenz und Offenheit. Die Möglichkeit, Codes einzusehen und nachzuvollziehen, was die Software wie wann warum macht. Das wird umso wichtiger, je mehr Temperatursensoren aus unseren Schlafzimmern funken und in je mehr Körpern Herzschrittmacher mit Funkschnittstellen pumpen. Weil Kunden in der vernetzten Welt nicht allein vor Cyberkriminellen geschützt werden müssen. Sondern auch vor Firmen.

NSA-Affäre

Früher einmal, da lautete die romantische Vorstellung, dass das Internet die Mittelsmänner überflüssig machen werde. Plattenfirmen zum Beispiel, die auf dem Weg der Musik vom Künstler zum Fan einen Großteil des Geldes einkassierten. Dass so Nutzer ermächtigt würden, direkter Kontakt hergestellt würde, all das. Tatsächlich findet vor allem das Gegenteil statt: Im global vernetzten Zeitalter sind es noch viel mehr Mittelsmänner geworden – und viel mächtigere. Amazon, Spotify und so weiter sowieso.

Öde ist es, mühsam und nervig, dem Trend entgegenzustehen, Kunden und Nutzer nur noch als eine datenproduzierende, geldwerfende Fleischverfügungsmasse von Unternehmen zu begreifen. Als Leute, die bitte schön die Finger von ihren Geräten lassen – genauso wie öffentliche Prüfstellen. Und doch wird genau das umso wichtiger für jeden, dem etwas an seiner Autonomie liegt.

Dass es sich lohnt, dran­zubleiben, zeigte in dieser Woche der NSA-Untersuchungsausschuss. Der hat zutage befördert, dass ein BND-Mitarbeiter, der an der Überprüfung der Suchbegriffe ausländischer Geheimdienste mitgearbeitet hat, leider, leider einen Großteil seiner gesendeten Mails nicht mehr hat, in denen problematische Selektoren gemeldet wurden. Gelöscht. Leider, leider. Was mal wieder zeigt: Nachfragen lohnt sich. Auch wenn es nervt.