„Ach, was soll‘s: ‚Dachschaden‘ ist einfach eine tolle Überschrift für eine BER-Meldung“

Das bleibt von der Woche Die Politik will die Flüchtlingskrise mit polizeilich-militärischen Mitteln lösen, im Dach der Haupthalle des BER-Terminals wurden zu schwere Ventilatoren verbaut, am Rand einer S-Bahn-Trasse soll ein Fahrrad-Highway entstehen und immer mehr Menschen brauchen ein Dach über dem Kopf

Mehr Polizei ist auch keine Lösung

FLÜCHTLINGE

Die Politik hat ihre Hausaufgaben in Sachen Flüchtlinge nicht gemacht

Die Lösung der Flüchtlingskrise mit polizeilich-militärischen Mitteln ist offenbar das politische Gebot der Stunde – lokal wie international. Der Senat macht einen ehemaligen Polizeichef zum obersten Krisenmanager (Dienstag), der von ihm geleitete Krisenstab verkündet als erste Amtshandlung eine beachtliche Aufstockung von Security und Polizei an der Erstaufnahme in Moabit (Donnerstag). Derweil rüstet die EU ihre Grenzschutzagenturen Frontex und Interpol auf, um die Grenzen weiter abzuriegeln (Mittwoch), und ein Bund-Länder-Gipfel beschließt, Flüchtlinge aus „sicheren Herkunftsländern“ in Lagern zu kasernieren (Donnerstag) – damit man sie schneller abschieben kann.

Was uns all das suggerieren soll: Die vielen Flüchtlinge sind vor allem ein sicherheitspolitisch-organisatorisches Problem, das hart zupackende Expolizisten wie Dieter Glietsch schnell in den Griff bekommen werden. In dieselbe Rubrik fallen selbstredend auch die Bundeswehrsoldaten, die seit dieser Woche – zusätzlich zu einer Kohorte Polizisten – den lahmen Enten vom Lageso (Landesamt für Gesundheit und Soziales) bei der Registrierung von Flüchtlingen unter die Arme greifen. All dies soll dem ob des Chaos zunehmend ängstlicher werdenden Wahlvolk zeigen: Seht her, wir packen’s an!

Leider am falschen Ende. So hätte die Politik schon lange dafür sorgen sollen, dass im Lageso die Anträge der Flüchtlinge zügig bearbeitet würden – statt nun mehr Sicherheitspersonal vor die Tür zu stellen, um zu Recht aufgebrachte Menschen im Zaum zu halten. Der Senat hätte auch schon längst eine Strategie entwickelt haben müssen, wie Flüchtlinge zügig in den hiesigen Wohn- und Arbeitsmarkt integriert werden können. Ebenso hätten Bundesregierung und EU schon lange an der Beseitigung von Fluchtursachen arbeiten müssen.

Wo man auch hinschaut: Die Politik hat ihre berühmten Hausaufgaben in Sachen Flüchtlinge nicht gemacht. Jetzt überall, wo’s brennt, Polizisten und Soldaten hinzuschicken, ist kei- ne Lösung.

Susanne Memarnia

Fluchhafen mit Dachschaden

Baustopp am BER

Ach nee: Im Dach des Terminals wurden viel zu schwere ­Ventilatoren verbaut

Gibt es noch Neuigkeiten, die nicht mit Flüchtlingen zu tun haben? Am Montagnachmittag verschickte dpa eine Eilmeldung mit dem Titel „Bauaufsicht stoppt Bauarbeiten am Flughafen BER“. Auf der Baustelle geht es wieder mal nicht voran. Also nichts Neues?

Man weiß es nicht so genau.

Seit 2011 hangeln sich die BER-Verantwortlichen – derzeit vor allem der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) – von einem verschobenen Eröffnungstermin zum nächsten. Aktuell ist Ende 2017 angepeilt. Nach der Meldung vom Montag ist das zumindest fraglich. Ein notwendiger neuer Starttermin könnte im Wahlkampf für Schwung sorgen und Müller Kopfzerbrechen bereiten.

Auch war es mal wieder die notorisch schadensanfällige Brandschutzanlage, die den Baustopp auslöste. Im Dach der Haupthalle des Terminals wurden zu schwere Rauchgasventilatoren verbaut. Warum, weiß natürlich keiner so recht.

Und nicht zuletzt war es erneut der Landrat des Kreises Dahme-Spreewald, Stephan Loge, der die Entscheidung getroffen hat. Loge hatte schon 2012 verhindert, dass die Brandschutzanlage durch eine „Mensch-Maschine-Lösung“ ersetzt wird, nur um den Eröffnungstermin zu halten.

Immerhin – und das spricht für eine tatsächliche Neuerung – wurden bereits am Dienstag personelle Konsequenzen gezogen, der zuständige „Modulleiter“ wurde entlassen. Und Flughafenchef Karsten Mühlenfeld sprach ganz offen von einer „schwierigen Projektphase“.

Wobei, wenn man nachdenkt, sind beim BER schwierige Phasen keine Phasen, sondern Dauerzustand. Ach, was soll’s: „Dachschaden“ ist einfach eine tolle Überschrift für eine BER-Meldung. Die gibt’s so schnell nicht wieder. Bert Schulz

Da ist etwas ins Rollen gekommen

Fahrradschnellstraße

Mit diesem Highway wird das Fahrrad auf längeren Strecken zur echten Option

Die Vorstellung finden manche immer noch eher befremdlich: Ein Fahrrad-Highway, der am Rande einer S-Bahn-Trasse kilometerlang schnurgerade durch die Stadt führt – braucht man so was? Ist das nicht nur was für Raser? Ist das nicht monoton und langweilig? Wollten und sollten wir uns nicht stattdessen die Straßen vom Autoverkehr zurückerobern?

Ja, auch. Aber es gibt eben nicht die eine Standardlösung für eine fahrradfreundliche Metropole. Und der Vorschlag, eine Velopiste auf den ungenutzten Schienenstrang neben der S 1 zwischen Zehlendorf und Gleisdreieck zu packen – ein Vorschlag, den nun sogar die Autofahrerpartei CDU vorantreibt –, hat nicht nur Charme, sondern echtes Zukunftspotenzial.

Laut Senatsverkehrsverwaltung beträgt die durchschnittlich mit dem Fahrrad zurückgelegte Entfernung in Berlin 3,7 Kilometer. Für eine Stadt mit dieser Flächenausdehnung ist das nicht besonders viel. Und es ist auch nichts, was so bleiben muss: Wenn Radfahrer nicht alle naselang an Ampeln halten müssen, wenn sie nicht regelmäßig von überholenden Autos geschnitten, von haltenden ausgebremst und von parkenden gefährdet werden (Vorsicht, die Tür!!), wenn man ihnen einen schicken, glatten Belag ganz ohne Schlaglöcher, Gullideckel und Kopfsteinpflaster bietet, dann erhöht sich die zumutbare Entfernung wie von Zauberhand, sprich: Das Fahrrad wird auf längeren Strecken zur echten Option.

Wenn dann auch noch die Flächen vorhanden und deren Eigentümer guten Willens sind, dann ist das eine Gelegenheit, die die Politik gar nicht ausschlagen kann. Sollte man jedenfalls meinen, so sicher darf man sich da in Berlin ja eher nicht sein.

Besonders schön ist an der – potenziellen – Erfolgsgeschichte vom Fahrrad-Highway, dass sie auf die Initiative eines Berliners zurückgeht, der gern Fahrrad fährt und gut vernetzt ist, aber eben auch mal eins und eins zusammengezählt hat und dabei sehr hartnäckig geblieben ist. Chapeau dafür.

Man muss ihm und allen Radfahrern dieser Stadt wünschen, dass diese Geschichte wirklich zu Ende geschrieben wird.

Claudius Prößer

Bitte
keine
Armenviertel

Neuer Wohnungsbau

Es wird ein Kunststück, das Aufkommen von Sozialneid zu verhindern

Die Zahl ist beeindruckend. Berlin wächst allein in diesem Jahr um 80.000 Menschen, sagte Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) bei der wohnungspolitischen Debatte am Donnerstag im Abgeordnetenhaus – und korrigierte damit die Erwartungen um 35.000 nach oben. Der Neubau von Wohnungen hält mit dieser Entwicklung nicht Schritt, räumte der Senator ein: 12.000 werden in diesem Jahr fertig, 15.000 sollen es 2016 sein – zu wenig, um all die Zuzügler zu versorgen. Der Wettbewerb nimmt zu, der Kampf um bezahlbaren Wohnraum wird härter.

Das Thema birgt Sprengkraft. Denn nicht nur die vielen Flüchtlinge, die maßgeblich für die gestiegenen Zahlen sorgen, brauchen ein Dach über dem Kopf. Sie stehen auf dem Wohnungsmarkt alteingesessenen Geringverdienern gegenüber. Es dürfte ein Kunststück werden, angesichts dieser Konstellation das Aufkommen von Sozialneid und Fremdenfeindlichkeit zu verhindern.

Wenn der Senat 2016 zusätzliche 15.000 Wohnungen in Leichtbauweise errichten will, um den Druck zu mindern, hat das also durchaus seine Berechtigung. Die Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek sah das am Donnerstag anders: Die „Wohnkästen“ werden die „Armenviertel der Zukunft“ sein, warnte sie im Parlament.

Man kann nur hoffen, dass Kapeks Kritik ins Leere läuft. Immerhin sollen die geplanten Leichtbauten nicht an ein oder zwei Stellen in der Stadt, sondern auf 60 verschiedenen Grundstücken mit je 500 BewohnerInnen entstehen. In dieser Größenordnung dürften sich die Neubauten in die Kieze noch integrieren lassen.

Trotzdem trifft Kapek einen Nerv. Denn egal ob Wohnungen aus Fertigteilen oder aus Beton gebaut sind – die zentrale landespolitische Herausforderung der nächsten Jahre wird sein, die Flüchtlinge in der Stadt zu verteilen, ohne dass sich Armut ballt und neue Brennpunkte entstehen.

Die Flüchtlinge kommen mittellos nach Berlin, kaum jemand von ihnen spricht Deutsch. Auch wenn jeder Fünfte aus Syrien einen Hochschulabschluss hat und viele hoch motiviert sind, heißt das noch lange nicht, dass sie hier auch in ihrem Beruf arbeiten können. Für die meisten wird es erfahrungsgemäß nicht leicht, schnell eigenes Geld zu verdienen.

Die Flüchtlinge wollen in Deutschland Fuß fassen und hier ein friedliches Leben führen. Je eher Berlin es schafft, sie in bestehende Strukturen der Stadt zu integrieren statt sie in eigenen Vierteln auszusondern, je eher dem Sozialneid die Grundlage entzogen wird, umso größer sind die Chancen, dass das auch klappt. Antje Lang-Lendorff