Von Panzern und Gefühlsfragen

Nachwuchs Die Grüne Agnieszka Brugger nimmt es gern mit der Verteidigungsministerin auf

Agnieszka Brugger in Ravensburg Foto: Felix Kästle/dpa

BERLIN taz | Immer wenn der Cyberwar, der digitale Krieg im Netz, politisch debattiert wird, steht eine Frau ganz vorn: Ursula von der Leyen. Als Verteidigungsministerin fühlt sie sich nicht nur zuständig für den Kampf auf dem Boden, sondern auch für die Angriffe im Internet. Dann spricht sie von digitalen Attacken und von digitaler Abwehr. Und dann widerspricht ihr eine andere Frau: Agnieszka Brugger.

Die eine ist in der CDU, 56 und seit 2003 Ministerin, erst in Niedersachsen, später für die gesamte Republik. Die andere ist Grüne, 30 und seit 2009 im Bundestag. Das klingt nach einem Kampf wie von David gegen Goliath.

Das ist Brugger aber egal. „Ich bin eine große Idealistin“, sagt die Grüne: „Wenn ich die Welt ein klein wenig besser machen kann, dann versuche ich das.“ Und dazu gehört, dass sie beim Cyberwar andere Spiel­regeln fordert als jene, die die Verteidigungsministerin vorgibt.

Von der Leyen will den verstärkten Angriffen im Netz offensiv begegnen, also Deutschland schon mal selbst angreifen lassen. Das geht Brugger entschieden zu weit. Sie sagt: „Wenn die Bundeswehr künftig selbst andere IT-Systeme angreifen soll, rechtfertigt die Verteidigungsministerin die Kriegsführung im Cyberspace.“

Brugger fällt auf im Parlamentsbetrieb. Hennarot gefärbte Haare, Gothicystyle, Piercings im Gesicht. Sie war Studentin, als sie 2009 überraschend in den Bundestag gewählt wurde. Mit ihrem jetzigem Mann lebte sie damals in Ravensburg und war bei der grünen Jugend aktiv. Sie hatte nicht die Absicht, Politikerin zu werden, sagt sie. Sie wollte mit ihrer Kandidatur nur ein Zeichen setzen gegen Alt-Grüne wie Claudia Roth oder Jürgen Trittin. Aber dann weckte ihr Freund sie in der Nacht nach der Bundestagswahl und sagte: „Herzlichen Glückwunsch.“

Wenn Brugger die Welt besser machen will, kann sie nerven. Dann schmettert ihre Stimme bei Bundestagsdebatten schon mal durch den Plenarsaal. Sie hat einen kräftigen Händedruck und redet, wenn man sie lässt, gern lange. Am liebsten über militärische Missionen bei der Rettung von Flüchtlingen auf dem Meer, über die deutsche Beteiligung bei Kriegseinsätzen in Afrika, übers Sturmgewehr G 36. Harte Themen.

Trotzdem musste sich die Politikerin im Verteidigungausschuss schon Sätze anhören wie: „Sie stellen immer so Gefühlsfragen.“ Gefühlsfragen. Zu Panzern. Zu Kampfeinsätzen. Brugger lacht darüber. Sie könne, sagt sie, ganz gut „die Ellenbogen ausfahren, wenn es notwendig ist“. Dem Gefühlskollegen im Ausschuss hat sie bei passender Gelegenheit geantwortet: „Seien Sie doch mal nicht so emo.“

Mit ihrer Kandidatur wollte sie ein Zeichen setzen gegen Alt-Grüne

Bruggers politischer Aufstieg war kometenhaft. Parteikollegin Claudia Roth bescheinigt der gebürtigen Polin „ein großes Talent“. Bei Wehrdienstleistenden gilt sie mittlerweile als „Dienstälteste“ in Sachen PTBS, der posttraumatischen Belastungsstörung, mit denen viele Soldaten und Soldatinnen aus Kampfeinsätzen im Ausland zurückkehren. Der jungen Grünen bringen die Wehrdienstleistenden mittlerweile mehr ­Vertrauen entgegen als der älteren CDU-Verteidigungsministerin.

Eines aber hat sie nicht ganz so im Griff: Ihre Magisterarbeit sollte längst geschrieben sein. Hat sie aber aufgrund ihrer Arbeit im Bundestag nicht geschafft. Irgendwann einmal gab sie als Ziel 2015 an. Machbar? „Hm“, sagt Brugger: „Ich verspreche, sie wird fertig.“ Irgendwann. Simone Schmollack