Beten und missbrauchen

SEXUELLE GEWALT Tausende Missbrauchsopfer meldeten sich auf einer Telefonhotline der katholischen Kirche. Die gibt sich erschüttert ob des Ausmaßes – und stellt das Hilfsangebot trotzdem ein

TRIER dapd | Die Debatte um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche wird durch neue Erkenntnisse weiter befeuert. Der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz, der Trierer Bischof Stephan Ackermann, zeigte sich am Donnerstag erschüttert über den Abschlussbericht zur Telefonhotline für Betroffene. Dass die Beschuldigten häufig systematisch die psychische Wirkung von Riten wie der Beichte oder dem Gebet ausgenutzt hätten, sei „das besonders perfide und für mich als Bischof auch abscheulich“, sagte der 49-Jährige in Trier.

Der Bischof sprach angesichts der 1.824 ausgewerteten Fälle von einer „Spiritualität des Verbrechens“. Zwischen März 2010 und Ende 2012 wurden über die Hotline der katholischen Kirche 8.465 Gespräche geführt. Mehr als 60 Prozent der Nutzer gaben an, selbst Opfer sexueller Gewalt geworden zu sein.

Der Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke nannte diese Zahl im ARD-Morgenmagazin erschreckend.

Die Hotline war zum Jahresende 2012 eingestellt worden. Die sinkende Nutzung des Angebots habe seit Längerem keine Aufrechterhaltung mehr gerechtfertigt, verteidigte Ackermann den Schritt. Zugleich versicherte er, dass die Bischofskonferenz sich „mit gleich bleibender Intensität und Konsequenz um eine gründliche und transparente Aufarbeitung“ der Fälle sexuellen Missbrauchs in der Kirche bemühen werde. Vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit dem Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen wollte er jedoch keinen neuen Zeitplan nennen. Die katholische Kirche hatte das Institut unter der Leitung des Wissenschaftlers Christian Pfeiffer mit der Bewertung der Missbrauchsfälle beauftragt, dann aber die Zusammenarbeit beendet. Daraufhin entbrannte eine heftige Diskussion um den Aufklärungswillen in der katholischen Kirche.