Zu viele Arbeitslose, viel zu wenig Beratung

Mit Hartz können Städte und Kreise die Betreuung der Jobsuchenden selbst übernehmen. Vor Ort jedoch regiert das Chaos: Wegen der hohen Arbeitslosenzahlen herrscht Personalmangel, qualifizierte Vermittlung findet kaum statt

SCHWELM taz ■ Das hatten sie sich einige Landräte so nett vorgestellt. Mit Hartz IV sahen sie die Chance, ihren wenig beachteten Behörden neue Wichtigkeit zu verleihen. Jetzt stehen einige vor einem Scherbenhaufen. Vor allem die ungeahnt hohe Zahl an Leistungsempfängern sorgt für horrende Kosten. Das trifft die Haushalte der so genannten Optionskreise. Zehn davon gibt es in NRW. Sie hatten vor Hartz IV getönt, die Arbeitslosenvermittlung besser bewerkstelligen zu können, als die Bundesagentur für Arbeit. Seitdem tragen sie die Verantwortung für die Empfänger von Arbeitslosengeld (ALG) II. Jetzt stehen die Optionskreise vor erheblichen Problemen.

Etwa der Ennepe-Ruhr-Kreis: Obwohl die dortige JobAgentur sämtliche Sollstellen besetzt hat, hapert es bei der Erfüllung der vorgegebenen Aufgaben. „Das System ächzt unter der großen Zahl der Leistungsempfänger“, konstatiert Kreiskämmerer Jürgen Brückner. Zudem die Fallzahlen weiter steigen. Folge: „Es gibt immer noch unzumutbare Verzögerungen bei der Leistungsgewährung“, so Brückner. Und nicht nur das: Auch bei der Arbeitsvermittlung kommt die Agentur nicht nach. Kreistagsmitglieder berichten von Fällen, in denen selbst auf die Gewährung von Heizkostenzuschüssen bis zu drei Monate gewartet werden musste. Jetzt soll eine externe Beratung klären, ob die Personalstruktur angepasst werden muss. „Dabei ist das Ergebnis doch klar“, meint ein Kritiker aus Reihen des Kreistages hinter vorgehaltener Hand. „Wenn die Fallzahlen die Erwartungen bei weitem übersteigen, ist es zwangsläufig, dass es Personalengpässe gibt. Dafür muss ich keine Unternehmensberatung einschalten.“

Schon jetzt hakt es auch in den anderen Bereichen: In Sachen Vermittlung und Missbrauchskontrolle hinkt die Agentur den Zielen hinterher. Der angestrebte Beraterschlüssel von einem Berater und 150 Kunden wird vorerst nicht erreicht. Auch eine Missbrauchskontrolle findet nicht statt. Man müsse angesichts der angespannten Personalsituation die Prioritäten derzeit anders setzen. Überhaupt sei die von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement entfachte Debatte über massenhaften Leistungsmissbrauch künstlich hochgeblasen. „Wir können diese Missbrauchszahlen nicht nachvollziehen.“ Ursprünglich war man im Kreis von 9.346 Bedarfsgemeinschaften für das Arbeitslosengeld II ausgegangen. Mittlerweile sind es über 14.000. Derzeit schlagen die Unterkunftskosten im Kreishaus mit vier Millionen Euro monatlich zu Buche. Sollte der Bund seinen Zuschuss entgegen seines Versprechens kürzen, rechnet der Kreis mit Mehrbelastungen von 13 Millionen Euro für dieses Jahr.

Beim Landkreistag will man das so negativ nicht sehen. „Die Kreise, die optiert haben, stehen besser da, als die anderen“, meint Boris Zaffarana, Sprecher des Landkreistages NRW. Der Landkreistag gilt als großer Befürworter des Optionsmodells. Damit befinden sich die beiden großen kommunalen Spitzenverbände im Land weiter auf Konfrontationskurs. Denn der Städte- und Gemeindebund NRW sieht sich in seiner bisherigen Ablehnung des Optionsmodells bestätigt. „Langzeitarbeitslosigkeit gehört nicht kommunalisiert“, sagt Sprecher Martin Lehrer.

In seinem Hause wird an einer Bilanz der Erfahrungen der zehn Optionskreise und -kommunen gearbeitet. Lehrer rechnet insgesamt mit einer negativen Bilanz. „Wenn Sie positive Zahlen hören wollen, müssen Sie beim Landkreistag anrufen“, sagt er. Dort gibt man sich unbeeindruckt: „Die Zahlen der Optionskreise können sich sehen lassen. Wenn man alle Kommunen einfach machen lassen würde, sähe es auf dem Arbeitsmarkt schon viel besser aus“, glaubt Landkreistags-Präsident Thomas Kubendorff. SVEN PRANGE