Hartz IV ist ein Frauenproblem

Unter der Arbeitsmarktreform leiden allen voran die Frauen. In NRW ist die Zahl der weiblichen Arbeitssuchenden rasant angestiegen. Außerdem sind Frauen besonders von Altersarmut betroffen

VON NATALIE WIESMANN

Hartz IV macht Frauen arbeitslos: Die Zahl der arbeitssuchenden Frauen in Nordrhein-Westfalen ist im Vergleich zum Vorjahr um ein Drittel gestiegen. Besonders hoch ist die Nachfrage nach Teilzeitjobs: 137.000 Frauen waren im Oktober 2005 auf der Suche nach einer Teilzeitbeschäftigung, vor einem Jahr waren es noch rund 94.000 – fast 50 Prozent weniger.

Laut Regionaldirektion NRW ist der rasante Anstieg der Arbeitslosigkeit bei Frauen kein Grund zur Sorge: „Das ist kein konjunkturelles Problem“, sagt Pressesprecher Werner Marquis, „die Zahlen sind nur ehrlicher als im vergangenen Jahr.“ Zu den bisherigen Arbeitssuchenden seien seit Hartz IV Frauen dazu gekommen, die sich früher ausschließlich um Haus und Kinder kümmerten. Als Mitglied einer so genannten Bedarfsgemeinschaft – eines Haushalts, der von Arbeitslosengeld II lebt – seien diese nun gezwungen worden, sich arbeitssuchend zu melden. „In einer Bedarfsgemeinschaft müssen eben alle Mitglieder dazu beitragen, die Hilfsbedürftigkeit zu reduzieren“, so Marquis. Wenn früher die Arbeitslosenhilfe nicht reichte, hätte die Familie ergänzende Sozialhilfe erhalten. „Für viele Frauen ist das eine harte Umstellung“, sagt er.

Eine harte Umstellung sei die Arbeitsmarktreform vor allem für Frauen, die mit einem gut verdienenden Partner zusammenleben, kritisiert hingegen die Evangelische Frauenhilfe in Westfalen. „Diese Frauen werden vermehrt in die Abhängigkeit von Partnern und Familie gedrängt“, sagt Sprecherin Manuela Schunk. Früher hätten sie noch Anspruch auf Arbeitslosenhilfe gehabt, heute müssten sie vom Gehalt des Partners leben – und erhielten keine Weiterbildungsangebote mehr. „Kriegst du kein ALG II, musst du jeder Förderung hinterherlaufen.“

Diese und andere negative Auswirkungen der Arbeitsmarktreform auf Frauen will der protestantische Frauenverband in den für die Hartz-Nachbesserungen zuständigen Ombudsrat einbringen. Auf einer Konferenz in der vergangenen Woche haben die 70 TeilnehmerInnen dazu eine Erklärung verabschiedet. „Unabhängig von der Geschlechterfrage kritisieren wir die falsche Annahme, dass es genügend Arbeitsplätze gibt und die Arbeitslosen nur zu faul sind“, sagt Schunk (siehe auch NRW-Seite 2). Außerdem sei die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe definitiv kein Instrument zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit.

Der massive Abbau an sozialversicherungspflichtigen Jobs im Dienstleistungssektor ging vor allem auf Kosten der Frauen, so Schunk. In der Gastronomie, im Handel und im Gesundheitswesen würden feste Stellen vermehrt in Mini-Jobs umgewandelt. „Das bedeutet bekanntlich weniger Einzahlung in die Sozialversicherungssysteme, weniger Geld für die Rente: Frauen werden in 10 oder 20 Jahren besonders von der Altersarmut betroffen sein.“