Charmanter Beinemacher

Nachruf Kunstvermittler Jean-Christophe Ammann ist tot

Der eloquente Kunstvermittler Jean-Christophe Ammann hatte nichts dagegen, wenn das Feuilleton ihn als „Kunstevangelist“ oder „Kunstmissionar“ bezeichnete. Er drehte beide Bezeichnungen ins Positive: „Wie kann ich jemanden von etwas begeistern, was mich selbst nicht begeistert? Ein Verkäufer, der die Menschen nicht mag, ist unmöglich. Man muss Menschen mögen.“ Menschen und Werke zu bewegen, war sein Credo, im übertragenen wie auch im wörtlichen Sinne.

Er erfand den „Szenenwechsel“ als Ausstellungskonzept: Im Halbjahresrhythmus tauschte er Werke aus der Sammlung aus, präsentierte neue und machte so der musealen Behäbigkeit gleichsam Beine. Unter seiner Leitung bot das Museum für moderne Kunst (MMK) in Frankfurt jeden Tag eine Führung an, mittwochs besorgte Ammann selbst diese Aufgabe – mit einem Charme und Furor, die seine Führungen legendär machten. Zu seinen Performances kamen jeweils zwei- bis dreihundert Besucher und ließen sich von der Verve des Direktors anstecken.

Geboren wurde Ammann 1939 in Berlin und wuchs danach in Fribourg (Schweiz) auf. Nach dem Studium der Kunstgeschichte war er 1967 für ein Jahr Assistent des kuratorischen Genies Harald Szeemann in Bern. Mit diesem zusammen organisierte er 1972 auch die Documenta 5 in Kassel. Bevor er 1989 das MMK in Frankfurt als Gründungsdirektor übernahm (bis 2001 blieb er dort), „trainierte“ er „zwanzig Jahre lang“, wie er sagte, am Kunstmuseum Luzern und an der Kunsthalle Basel.

Der Auftrag des Gründungsdirektors in Frankfurt war einfach und schwierig zugleich: „Machen Sie eine Sammlung und vermitteln Sie diese!“, sagte ihm der Kulturdezernent Hilmar Hoffmann. Zum Einstand „erbte“ Ammann 87 Bilder der Sammlung Stöher – vorwiegend amerikanische Pop-Art. Heute umfasst die Sammlung über 8.000 Werke und Werkgruppen, für die Ammann hartnäckig Geld bei Sponsoren auftrieb. Denn das MMK war kaum eröffnet, da war es auch schon bankrott. Frankfurt baute Museum an Museum an der Museumsmeile am Main, aber als die Rezession einsetzte, fehlte das Geld für Anschaffungen.

Die Stadtregierung gab die Parole aus, „die Kultur muss bluten“, und strich die Anschaffungsetats für die Museen zusammen. Über Nacht musste Am­mann vom Ausstellungsmacher zum Jäger nach Sponsorengeldern, Mäzenen und Leihgebern umsatteln und trieb jährlich eine bis eineinhalb Millionen Mark auf.

Kein Erfolg ohne Schattenseite. Das MMK begab sich mit der Anwerbung von Leihgebern auf ein heikles Terrain. Das Museum schützte sich gegen Leihgeberwillkür vertraglich zu wenig ab. Geschäftskundige Leihgeber ließen ihre Werke – auf Kosten der Steuerzahler – bewachen, pflegen und „reifen“, um sie bei günstiger Marktlage zurückzuziehen und auf dem Kunstmarkt zu verkaufen.

Jean-Christophe Ammann ist bereits am 13. September nach schwerer Krankheit in Frankfurt gestorben. Rudolf Walther