Lummer eine runterhauen

Benny Härlin kam von der „radikal“ zur taz, war Hausbesetzer und wollte richtigen Journalismus machen. Was das war? Vor allem Unabhängigkeit bewahren

„Ich bin von der Zeitschrift radikal zur taz gekommen. Sie wurde im Hinterhof-Kollektiv produziert, mit der Hand gefalzt und anschließend in den Kneipen verkauft. Wir nannten uns ‚Spontis‘, stritten mit Peter Glotz über ‚zwei Kulturen‘ und gründeten mit Otto Schily die AL. Die radikal druckte hauptsächlich Pamphlete ab. Davon hatte ich irgendwann die Schnauze voll. Bei der taz wollte ich richtigen Journalismus machen.

Aber was ist richtiger Journalismus? Betroffenen-Journalismus war das Schimpfwort der Saison. Letztlich wusste keiner so genau, wo das Subjekt aufhört und das Objekt anfängt. Ich zum Beispiel lebte in einem besetzen Haus und war in der Redaktion für Wohnungspolitik und Häuserkampf zuständig.

Am 21. September 1981 ließ Innensenator Heinrich Lummer neun besetzte Häuser räumen. Dabei kam Klaus-Jürgen Rattay ums Leben. Lummer aber feierte seinen Sieg wie ein kleiner Napoleon in einem frisch geräumten Haus. Ich war als taz-Reporter dabei und stand ihm direkt gegenüber. Dass ich ihm da nicht einfach eine gelangt habe für diesen unverschämten, unanständigen Auftritt, hab ich mir bis heute nicht richtig verziehen. Als ich dann meinen Bericht durchtelefonieren wollte, hat mir ein Polizist trotz Presseausweis erst den Arm gebrochen und mich dann verhaftet. Ich hatte einiges gelernt über unabhängigen Journalismus.

Die Besetzerszene betrachtete die taz als ihr Organ, aber wir galten schnell als konterrevolutionär, wenn wir keine dreiseitigen Forderungen nach Freilassung der Gefangenen abdruckten. Auch die AL vermisste regelmäßig die Solidarität. Im Rückblick haben wir uns aber unsere Unabhängigkeit, wenn auch mühsam, bewahrt.

1983 wurde ich dann mit Micha Klöckner als Herausgeber der radikal angeklagt. Dass ich in der taz berlin gegen den unkritischen Abdruck von Bekennerschreiben polemisiert hatte, bezeichnete der Staatsanwalt im Prozess als besonders perfide Form der Tarnung. Die taz rief jedenfalls zur Kundgebung für die Pressefreiheit vor meiner Zelle in Moabit auf. Andere Medien haben mitgezogen. Meine Kaution hat der Herausgeber des Tagesspiegels bezahlt.

Die Grünen haben mich damals ins Europaparlament geschickt, später wurde ich Greenpeace-Aktivist. Da ist kein Platz für Zweifel. Der wird von der Öffentlichkeit bestraft, am härtesten übrigens von Journalisten. Den Luxus, Widersprüche zu benennen, ohne Lösungen zu bieten, möchten sie für sich behalten. Darum beneide ich sie manchmal.“ BENNY HÄRLIN