Psychodoc mit Zwängen

KOMÖDIE Regisseur Dani Levy hat sich auf seine Stärke besonnen und einen lustigen TV-Film gedreht („Der Liebling des Himmels“, 20.15 Uhr, ARD)

Hat einen an der Waffel: Dr. Magnus Sorel junior (Axel Milberg) Foto: NDR

von Jens Müller

Wer bin ich – und wenn ja, wie viele? Die Frage hat vor Richard David Precht bereits Dani Levy gestellt, in seinem zweiten Film „RobbyKallePaul“. So lässt sich 26 Jahre später sagen, es kommt jedenfalls nicht von ungefähr, wenn er sich nun mit seinem, je nach Zählung vierzehnten oder sechzehnten Film in das psychologische Milieu begibt.

Die über eine Kloschüssel im Moment vor der Spülung eingeblendete Schrift verrät, dass Levy für „Buch & Regie“ verantwortlich ist. Das war auch schon so bei „Alles auf Zucker!“, der eigentlich nur fürs Fernsehen produziert wurde, dann aber vor zehn Jahren ein schöner Kinoerfolg wurde. Der viel größer wurde als er gedacht war, im Unterschied zu den allesamt so angestrengt wirkenden Nachfolgeprojekten. Eine gute Idee also, dass die ARD eine scheinbar nur mäßig ambitionierte TV-Komödie von Levy ins Programm nimmt.

Die Hauptfigur schafft es im Verlauf des Films als Talk-Gast in Günther Jauchs Gasometer, wo ihn die Off-Stimme so vorstellt: „Dr. Magnus Sorel junior. Psychiater und Psychotherapeut. Arbeitet seit 20 Jahren im Hamburger Schanzenviertel – mit großem Erfolg. Sein Motto: Sie können jeden Zustand jederzeit verändern.“ Sorel ist eine Koryphäe, berühmt für seinen „konfrontativen Stil“. Er therapiert auch die Hamburger Prominenz. Etwa Karl Dall: „Dieser Zwang, witzig sein zu müssen – woher kommt das denn?“

Weil der Film eine Komödie ist, bedient er gerne Klischees. Nicht nur hatte der Psychodoktor Sex mit einer Patientin, er hat auch selbst ordentlich einen an der Waffel: „Ich rieche, schmecke und höre alles extremer. Das ist einer der Gründe, warum ich mein Leben so – sauber halte.“ Der hypersensible Eigenbrötler lebt mit etlichen Zwangsstörungen: Zählzwang, Reinlichkeitszwang, Ordnungszwang.

Er besucht seine todkranke, zehn Jahre zuvor von ihm verlassene Frau auf der Krebsstation: „Da schau her: schlank und rank – du wolltest doch immer abnehmen!“ „Verklemmtes Arschloch!“, findet der Sohn.

Es kommt noch dicker für Sorel: „Ich habe jetzt 20 Jahre Schotter gemacht mit ihren Problemen und Immigrationshintergründen. Und da ist es vielleicht nur gerecht, dass sie sich einen Teil davon wiederholen. Indem sie mich anzeigen, bei mir einbrechen, mich bestehlen, erpressen.“ Ein Einbrecher hat seine streng geheimen Tagebücher, denen er seine Störungen anvertraut hat, mitgenommen. Die Patientin, mit der er Sex hatte, beschuldigt ihn der sexuellen Nötigung. Beide erpressen ihn. Der Einbrecher will Geld, die Frau – noch mehr Sex. Ein Albtraum. „Krisen sind Wachstum“, sagt aber Sorel.

Für einen Schauspieler wie Axel Milberg ist diese Figur ein gefundenes Fressen. Ihm, dem Levy die Rolle auf den Leib geschrieben hat, zuzuschauen ist eine reine Freude. Mario Adorf als Magnus Sorel senior sieht bei seinem ersten Auftritt als Weißhaariger in Ethno-Kluft so aus, als wollte er noch einmal den Mexikaner für Sam Peckinpah geben, 30 Jahre nach dessen Tod. Jenny Schily als Angela Sorel ist im ganzen Film die einzige Figur ohne psychopathologischen Befund – aber mit Krebs.

Der Film ist keine reine Klamotte. Er hat vielmehr etwas von einem Bildungsroman, ist aber so lebensklug zu wissen, dass einer wie Sorel nie ganz aus seiner Haut können wird. Immerhin gewinnt er am Ende eine gewisse Klarheit über seinen Wert als Mann: „Sie müssen mich sehen wie einen Wasserhahn, der lange nicht mehr geöffnet worden ist. Und wenn dann das Wasser läuft, kommt zuerst die braune, stinkende Suppe. Und danach kommt das klare, saubere Wasser. Und das würde ich jetzt gerne laufen lassen!“