Staatsstreich gegen das Volk

Burkina Faso Kurz vor Wahlen putscht die Präsidialgarde. Der neue Machthaber ist eine der wichtigsten Figuren des alten Regimes, das 2014 per Volksaufstand gestürzt wurde

Erste Demonstranten gegen die übergriffige Präsidialgarde in Ouagadougou Foto: Joe Penney/reuters

von Katrin Gänsler

ABUJA taz | „Très chaud!“ Sehr angespannt. So beschreibt Serge Bayala, Student und Aktivist in Burkina Faso, die Stimmung auf den Straßen der Hauptstadt Ouagadougou am Donnerstagmorgen. Da hatte ein Sprecher des Militärs gerade im staatlichen Fernsehen bekannt gegeben, dass General Gilbert Diendéré an der Spitze einer Militärjunta namens „Nationalkomitee für Demokratie“ (CND) neuer Präsident sei. Vermutungen aus der Nacht zum Donnerstag wurden damit bestätigt: Die Präsidentengarde RSP, eine Eliteeinheit des Militärs, hat nur gut drei Wochen vor den geplanten Präsidentschaftswahlen am 11. Oktober die Macht übernommen.

Damit steht das westafrikanische Land mit knapp 19 Millionen Einwohnern erneut vor einer Krise. Schon im Verlauf des Donnerstagmorgens berichten immer mehr Menschen in Ouagadougou, dass Schusswechsel zunehmen und die Situation sehr unklar sei. „Eine Katastrophe“, beschreibt die lokale Journalistin Raïssa Compaoré die Entwicklung.

Dabei sah es am Mittwochabend noch gar nicht zwangsläufig nach einem Staatsstreich aus. Erst tauchte die merkwürdige Meldung auf, dass während einer Kabinettssitzung Interimspräsident Michel Kafando und Regierungschef Isaac Zida von Soldaten der RSP als Geiseln genommen worden seien. Konkrete Forderungen hatte es zunächst aber nicht gegeben.

Allerdings war die „Armee in der Armee“ – so hatte die nationale Versöhnungs- und Reformkommission CRNR die Präsidialgarde RSP noch in einem am Montag veröffentlichten Bericht bezeichnet – in den vergangenen Tagen das Gesprächsthema schlechthin gewesen. In ihrer Untersuchung hatte die CRNR die Auflösung der Eliteeinheit empfohlen. Die RSP, aufgebaut und kommandiert von General Diendéré, hatte unter anderem dafür gesorgt, dass sich der Ende Oktober 2014 durch einen Volksaufstand gestürzte Präsident Blaise Compaoré 27 Jahre an der Macht halten konnte, bevor sie bei seinem Sturz schließĺich mithalf und mit Premier Isaac Zida einen Spitzenposten in der neuen Regierung besetzte.

Die Protestbewegung „Balai Citoyen“ ruft zum Widerstand gegen den Putsch auf

Zuerst galt es als deshalb als gut möglich, dass die RSP einfach Druck auf die Übergangsregierung ausüben wolle, nachdem diese beschlossen hatte, Parteigänger Compaorés von den Wahlen im Oktober auszuschließen. Doch mitnichten. In Burkina Faso übernimmt mal wieder das Militär die Macht.

Viele Burkinabé wollen sich das nicht bieten lassen, ebenso wenig wie sie 2014 hinnehmen wollten, dass Compaoré die Verfassung verändere, um noch länger an der Macht bleiben zu können. In der Nacht zum Donnerstag gab es die ersten Protestzüge in Richtung Präsidentenpalast. Mehrere Organisationen riefen tagsüber in sozialen Netzwerken zu weiteren Demonstrationen auf. Die zivilgesellschaftliche Gruppe „Balai Citoyen“ (Bürgerbesen) rief zum Widerstand gegen den Putsch in allen Vierteln der Hauptstadt. Die „Bürgerbesen“ hatten im vergangenen Jahr viele tausend Menschen auf die Straße gebrach und mit ihrer friedlichen Revolution Compaoré gestürzt – damals noch mit Hilfe von Teilen der Präsidialgarde.

Die mit Compaorés Sturz eingeleitete Übergangsphase sollte ab 11. Oktober mit den Wahlen enden. Umso größer ist die Überraschung und Enttäuschung über den Staatsstreich. Die RSP galt zwar immer als unberechenbar, aber auch als stark geschwächt. Schätzungen zufolge soll sie noch über 1.000 bis 1.500 Mitglieder verfügen und somit eigentlich viel zu klein sein, um ein Land zu übernehmen.