Der Senat braucht einen Plan

ASYL Wie soll die Stadt mit den Flüchtlingen umgehen? Bezirksbürgermeister fordern mehr Konzepte

Der Bezirksbürgermeister von Marzahn-Hellersdorf, Stefan Komoß (SPD), fordert vom Senat ein Konzept und mehr Ressourcen für den mittel- und langfristigen Umgang mit den vielen neuen Flüchtlingen. Andernfalls, befürchtet er, „könnten Hilfsbereitschaft und Toleranz schnell schwinden“, sagte Komoß am Donnerstag im Anschluss an die monatliche Sitzung des Rates der Bürgermeister der taz.

Derzeit kämen täglich rund 700 Menschen allein am Bahnhof Schönefeld an. Deren kurzfristige Versorgung mit Unterkünften, Kita- und Schulplätzen während des Asylverfahrens „kriegen wir irgendwie hin“, denn es gebe eine große Bereitschaft in der Bevölkerung zu helfen und die Mitarbeiter in den Bezirksämtern „arbeiten unglaublich viel“. „Die Frage ist aber: Wie kommen die Menschen wieder raus aus der Unterkunft?“ Es gebe keinen Plan, wie sie zu integrieren seien, so Komoß. „Die Bezirke haben da wenig Möglichkeiten.“

Der Rat der Bürgermeister tagte am Donnerstag nur kurz wegen der Gedenkfeier für den verstorbenen SPD-Politiker Egon Bahr. Zum Thema Flüchtlinge hätten sie eine Liste mit 60 bis 80 Objekten bekommen, die von der Berliner Immobilien Management GmbH (BIM) derzeit als Unterkünfte geprüft würden, so Komoß. Zudem habe man einige Fragen zusammengestellt, die am 1. Oktober bei einer Sondersitzung des Rates zur Flüchtlingsfrage besprochen werden sollen.

Ein Punkt, den Komoß dann diskutieren möchte, ist, „zu welchem Zeitpunkt es Sinn macht, die Kinder in die Schule zu schicken“. Für ihn ist es fraglich, ob Kinder, die noch in einer Erstaufnahmeeinrichtung leben, sofort beschult werden müssen, wenn sie später in eine andere Gemeinschaftsunterkunft, womöglich in einem anderen Bezirk, verlegt werden. Der Bezirksbürgermeister klagt über Platzprobleme in den Schulen seines Bezirks aufgrund der gestiegenen Flüchtlingszahlen.

Flüchtlinge Südosteuropas

Mehr Druck von den Bezirken könnte dem Senat auch von anderer Seite blühen. Der Bezirksbürgermeister von Treptow-Köpenick, Oliver Igel (SPD), erklärte der taz, man müsse auch darüber reden, was mit Flüchtlingen aus den „sicheren Herkunftsstaaten“ Südosteuropas passieren soll. Ihre Zahl werde ebenfalls weiter steigen, so Igel. „Wenn deren Asylverfahren abgeschlossen ist, sind die Bezirke für Leistungen an sie zuständig, solange sie nicht freiwillig ausreisen oder abgeschoben werden.“ Die Bezirke aber hätten viel Personal ans LaGeSo abgegeben und könnten diese Fälle nicht mehr betreuen.

Zudem warnte Igel wie Komoß davor, dass in der Bevölkerung neuer Unmut entstehen könne. „Derzeit haben wir zwar kaum Nazi-Demos und ‚besorgte Bürger‘, die sich zu Wort melden, weil die Notsituation in vielen Köpfen angekommen ist“, so Igel. Aber wenn nun Sporthallen über Monate durch Flüchtlinge blockiert seien, werde es doch wieder Proteste geben, befürchtet er. „Wir müssen alles daran setzen, Unterkünfte und Versorgung für die Flüchtlinge zu sichern, ohne dass dies dramatische Auswirkungen auf die Bevölkerung hat.“

Auch der Bezirksbürgermeister von Mitte, Christian Hanke (SPD) forderte gegenüber der taz eine bessere Planung, da auch in absehbarer Zukunft täglich Hunderte Menschen nach Berlin kommen würden. Ein „Think­tank“ müsse her, der schnell große Kapazitäten an Unterkünften schaffen könne. „Wir sindin einem Laufrad und kommen nicht mehr hinterher.“ In Berlin waren laut der Senatsverwaltung Mitte September 23.100 Flüchtlinge registriert. Laut der Prognose des Bundes könnten im nächsten Jahr 40.000 weitere dazukommen. SUM