Ein viel zu grauer Rahmen

FUSSBALL Die vom VfL Wolfsburg lang ersehnte Rückkehr in die Champions League fällt trotz eines 1:0-Erfolgs gegen ZSKA Moskau ernüchternd aus. Tausende Zuschauerplätze bleiben unbesetzt

Auf dem Rasen machten die Wolfsburger – hier Julian Draxler – eine gute Figur Foto: reuters

WOLFSBURG taz | Max Kruse ist noch neu beim VfL Wolfsburg. Er möchte es sich nicht gleich mit dem Publikum verscherzen. Deshalb wählte er seine Worte überlegt, als er nach dem 1:0-Erfolg gegen ZSKA Moskau zum Start in die Champions League auf das schwache Zuschauer-Interesse angesprochen wurde. Nur 20.126 Menschen hatten den Weg ins Wolfsburger Stadion gefunden. Als Mannschaft versuche man, das Drumherum auszublenden, sagte Kruse, man konzentriere sich auf das Spiel. Letztlich konnte aber auch der aus Mönchengladbach gekommene Offensivmann seine Erschütterung über den tristen Rahmen für den ersten Wolfsburger Champions-League-Auftritt seit sechs Jahren nicht verstecken: „Es ist natürlich enttäuschend, wenn das Stadion beim ersten Spiel nicht ausverkauft ist.“

Selbstverständlich haben sich die Wolfsburger auch gefreut über den verdienten Sieg gegen Moskau, der durch Julian Draxlers erstes Tor für den neuen Klub zustande gekommen war. Der 35 Millionen Euro teure Ersatz für Kevin De Bruyne deutete seine Klasse an und fand sich viel besser zurecht als bei seinem Liga-Debüt für die Wolfsburger gegen Ingolstadt.

Doch die Freude wurde vom Ärger über das magere Zuschauer-Interesse getrübt. Auf den Rängen des Wolfsburger Stadions war viel Grau zu sehen, das Grau der leeren Sitze. Den Rang über dem Gästeblock hatte der VfL sogar abgehängt mit einer grünen Plane. Von Europapokal-Flair war nicht viel zu spüren. Sportchef Klaus Allofs berichtete nach dem Spiel, dass er den Auftakt des Abends gar nicht habe genießen können. Anstatt beim Einmarsch der Mannschaften innezuhalten und voller Rührung der Hymne der Champions League zu lauschen, habe er sich im Stadion umgeschaut und sich gefragt, wo denn die ganzen Leute seien.

Allofs versuchte, dem mangelnden Interesse mit Ironie zu begegnen. Vielleicht hätten die Wolfsburger gedacht, die Mannschaft werde das Spiel auch ohne Unterstützung gewinnen. Er selbst habe jedenfalls alles dafür getan, um die Tribünen zu füllen. Seine ganze Familie habe er mitgebracht, sagte Allofs. Nur etwas mehr als 20.000 Zuschauer in der Champions League sei jedenfalls „enttäuschend“, klagte der Sportchef: „Das hat die Mannschaft nicht verdient.“ Immerhin habe sie mit der Vizemeisterschaft und dem Pokalsieg in der vergangenen Saison intensiv um die Gunst der heimischen Bevölkerung geworben.

Wolfsburg gehört mit knapp 125.000 Zuschauern zu den kleineren Standorten im deutschen Profifußball. Bundesliga-Fußball spielt der VfL erst seit Ende der Neunziger. In Wolfsburg wird die Leidenschaft für den Verein nicht vererbt, anders als zum Beispiel im nahe gelegenen Braunschweig, wo auch Teenager mit leuchtenden Augen vom deutschen Meistertitel im Jahr 1967 berichten. Erschwerend kommt hinzu, dass die späte Anstoßzeit in der Champions League ungünstig ist für die Mitarbeiter des örtlichen Autobauers – und Moskau sicher nicht der attraktivste Gegner ist, den der Wettbewerb zu bieten hat. Das Spiel hat den Wolfsburgern wieder vor Augen geführt, dass sie noch einen weiten Weg vor sich haben, um Stadt und Umland nachhaltig zu elektrisieren.

„Das hatdie Mannschaft nicht verdient“

Sportchef Klaus Allofs

Sportchef Allofs wies darauf hin, dass der VfL das Problem mit den leeren Rängen nur bei Spielen unter der Woche habe, im Pokal und im Europapokal. Trainer Dieter Hecking wollte sich in der Stunde des Sieges über Moskau gar nicht erst auf eine Kritik an den Rahmenbedingungen einlassen: „Ich fand unsere Kurve überragend.“ Hendrik Buchheister