Kein Geld und auch sonst nur Ärger

GESCHICHTE Ein Ort, dem Berlin abenteuerliche Musik zu verdanken hat: Am Donnerstag macht der an der Grenzevon Treptow und Neukölln gelegene Offspace NK dicht. Die Selbstausbeutung der Betreiber hat sich leider nicht ausgezahlt

In einem Hinterhof an der Grenze von Treptow und Neukölln im zweiten Stock befindet sich der Veranstaltungsort NK. Ziemlich versteckt liegt er, ganz so wie die Ausgehläden in den goldenen Neunzigern in Berlin es auch waren, einer Ära, die inzwischen in Coffee-Table-Büchern glorifiziert wird. Es war dies die Zeit der Wochenbars und illegalen Clubs, niemand dachte damals an Bürokratenquatsch wie Brandschutzbestimmungen und Schanklizenzen. Das Berlin von heute baut auf den Mythen von damals auf, aber für einen Laden wie das NK, der heute noch so funktioniert, wie es damals üblich war, scheint es einfach keinen Platz mehr zu geben.

Ähnlich geartete Locations wie das Acud in Mitte und das Ausland im Prenzlauer Berg, deren Programm zu ambitioniert für gewöhnliche Club- oder Konzertgänger sind, standen vor einiger Zeit ebenfalls vor dem Aus, bis ihnen städtische Fördermittel das vorläufige Weiterbestehen sicherten. Dem NK, das den besten Ruf in der Stadt als Spielstätte für elektronische Avantgarde und Freejazz genoss, blieb dagegen jegliche Hilfe versagt. Für zwei Projekte gab es Gelder von der Initiative Neue Musik, aber auch das ist Geschichte. Der Konzertraum, der seit ihrer Gründung vor sieben Jahren die Entwicklung von Neukölln als Ausgehbezirk mitangestoßen hat, wird deswegen in diesen Tagen schließen müssen. Es geht einfach nicht mehr weiter.

Vielleicht ist das aber auch nur folgerichtig. Das NK war nie der Hotspot für das Hurra-Berlin, das sich in der ganzen Welt für sein lässiges Nachtleben feiern lässt, „wir lagen nicht auf der Route von Easy-Jet-Touristen“, sagt Julian David Percy, einer der Betreiber. Bands und Künstler, die im NK auftraten, waren etwas für Spezialisten, man veranstaltete Workshops, in denen man selber Synthesizer bauen konnte und man verstand sich als diskursiver Ort, an dem auch Vorträge gehalten und Filme gezeigt wurden. Da war also nichts dabei, was ein paar Nightlife-Touristen mehr in die Stadt locken konnte.

Abseits vom Hype

Das NK blieb abseits vom Hype-­Berlin, war nie in einer Lobbygruppe wie der Club Commission und ließ auch keine Bands auftreten, die man doof fand, die aber richtig Geld eingespielt hätten. Allein die Existenz dieses Clubs, der nicht einmal Bier bei seinen Konzerten verkaufen durfte, war subversiv. Aber subversive Popkultur hat im gegenwärtigen Berlin, in dem Pop immer stärker von der Politik verwaltet wird, kaum mehr Platz. „Ich freue mich, dass von Pantha Du Prince bis Isolation Berlin zahlreiche Stipendiaten des Musicboards vertreten sind. Das spricht für unser Fördermodell“, schrieb Björn Böhning (SPD), Chef der Senatskanzlei des Landes Berlin, kürzlich in seinem Vorwort im Programmheft zum Festival „Pop-Kultur“. Solche Sätze verdeutlichen nur, wie sehr Pop inzwischen Teil des Polit-Gemauschels in der Stadt geworden ist. Schließlich traten die Stipendiaten des Musicboards doch auf einem Festival auf, das von ebendiesem Musicboard organisiert wurde.

Irgendwie durchwurschteln

Das NK war von Beginn non-Profit-orientiert. DIY lautet hier das Stichwort: „Do it yourself“, was sich auch übersetzten lässt mit „irgendwie durchwurschteln“. Aber auf Dauer kommt man damit in Berlin, und besonders in Neukölln, wo die Mietpreise längst explodiert sind, auf keinen grünen Zweig mehr. Farahnaz Hatam, Julian David Percy und Colin Hacklander, die Betreiber des NK, wirken ziemlich frustriert. Sie haben einfach keine Kraft mehr, sich für ihr Projekt selbst auszubeuten, „Wir sind durch“, sagt Farahnaz Hatam.

Diverse Baustellen seien ihnen mit der Zeit über den Kopf gewachsen. Es gäbe Forderungen von der Gema. Und Probleme mit den Nachbarn, die sich über Lärm beschwerten. Kein Geld, keine Hilfe und auch sonst nur Ärger, deswegen gehen im NK jetzt die Lichter aus. Sicherlich haben sie auch selbst Fehler gemacht. Farahnaz Hatam gibt zu: „Es fehlte irgendwann die Energie, uns intensiv um För­der­gelder zu bemühen.“ Alle drei NK-Betreiber sind selbst Musiker und Künstler, dazu kommt das Engagement im Club, da bleibt nur wenig Zeit für dringend nötiges Networking und dafür, sich bei einflussreichen Leuten, die die Fördergelder verwalten, beliebt zu machen.

Wahrscheinlich hat man sich zu lange zu sehr darauf verlassen, dass es schon immer irgendwie weitergeht. Man ist ja schließlich in Berlin, in der Stadt, in der alles so easy läuft, wie einem permanent weisgemacht wird. Aber Neukölln hat sich in den letzten Jahren einfach zu schnell vom Raum der Möglichkeiten zum Gentrifizierungskiez entwickelt. Percy ist ziemlich deutlich mit seiner Meinung: „Neukölln ist inzwischen einfach total fucked.“ Die Zeiten, in denen man in Zentrumsnähe ein Projekt wie das NK hochziehen kann, sind vorbei, darin sind sich die NK-Macher einig. „Die Stadt verliert gerade das, was sie eigentlich ausmacht.“ In New York und London gäbe es schon länger keine Möglichkeiten mehr für DIY, jetzt sei das auch in Berlin zu beobachten. „Und damit verleugnet die Stadt ihre eigene Geschichte.“ Colin Hacklander gibt sich vollends desillusioniert: „Wir erleben gerade das Ende von Berlin.“ Nein, Hacklander meint das nicht kokett.

Andreas Hartmann