Chaos 1.000 Flüchtlinge reisen nach Ungarn weiter. Slowenien verweigert Einreise. Ungarns Premier Orbán rechtfertigt Polizeieinsatz
: Kroatien gibt auf

In den Zug, egal wie: Flüchtlinge im kroatischen Grenzort Tovarnik Foto: Antonio Bronic/reuters

Aus Wien Ralf Leonhard

Kroatien kapituliert vor dem Druck der Flüchtlinge. Sie werden jetzt doch nach Ungarn und Slowenien durchgelassen. Die Aufnahmekapazitäten Kroatiens seien erschöpft und die Behörden könnten Menschen nicht mehr wie nach EU-Recht vorgesehen registrieren, so Ministerpräsident Zoran Milanović am Freitag. Das Land werde die Asylbewerber durchlassen und zu den Grenzen bringen, vorrangig zur ungarischen.

Kroatien werde seine Grenzen nicht dicht machen, verkündete er, nachdem vorher sieben von acht Grenzübergängen nach Serbien geschlossen worden waren. „Was können wir sonst machen?“, fragte Milanović: „Ihr seid in Kroatien willkommen und könnt durchreisen. Aber geht weiter. Nicht weil wir euch nicht mögen, sondern weil das nicht euer endgültiges Ziel ist.“ Was das in der Praxis bedeutet, muss sich erst zeigen, denn Slowenien will die Flüchtlinge ohne Papiere nicht ins Land lassen. Am Freitag waren bereits rund 14.000 Menschen nach Kroatien eingereist.

Etwa 1.000 Flüchtlinge erreichten in Bussen die kroatisch-ungarische Grenze. Sie wurden auf ungarischem Gebiet in andere Fahrzeuge umgeladen und fortgebracht - wohin, blieb zunächst unklar. Ungarn hatte angekündigt, auch die Grenze zu Kroatien mit Stacheldraht abzusperren. In der Nacht zu Freitag begannen 500 Soldaten, einen Drahtverhau hochzuziehen.

Slowenien stellte am Freitag seinen Bahnverkehr mit Kroatien ein. Am Donnerstagabend wurde ein Zug mit Flüchtlingen an der Grenze gestoppt. Nur etwa die Hälfte der circa 300 Passagiere hätte die notwendigen Papiere für eine Einreise gehabt, sagte ein Sprecher der slowenischen Grenzpolizei. Inzwischen wurde der gesamte Bahnverkehr zwischen den beiden Ländern eingestellt. Es würden nur diejenigen ins Land gelassen, die „die EU-Anforderungen erfüllen“, sagte Ministerpräsident Miro Cerar.

Einer ersten Gruppe von 300 Schutzsuchenden gelang es dennoch in der Nacht auf Freitag, den Grenzfluss Sutla zu durchqueren. Slowenien will sie wieder zurückschicken. Doch Kroatiens Regierung weigert sich strikt, diese Menschen wieder einreisen zu lassen.

Im kroatischen Grenzort Tovarnik herrschten am Freitag chaotische Verhältnisse. Familien würden auseinandergerissen, Hochschwangere nicht versorgt, berichtete die österreichische Freiwillige Magdalena Limmer. Für Tausende Menschen seien nur acht Dixi-Klos aufgestellt worden. Limmer war einem Facebook-Aufruf des Vereins SOS Konvoi gefolgt.

„Ihr sein in Kroatien willkommen, aber geht weiter“

Zoran MilanoviĆ, Premier von Kroatien

Von der Grenzschließung bis Freitagmittag ließen sich die Flüchtlinge nicht aufhalten. Sie überquerten weiter zu Hunderten die Grenze auf Feldern und Feldwegen – unbehindert von den Sicherheitskräften. Für den kroatischen Oppositionsführer Tomislav Karamarko ist das ein Fall für die Armee. Anders sei der Andrang aus Serbien nicht zu bremsen.

Ungarns Premierminister Viktor Orbán verteidigte am Freitag im Staatsfunk das Vorgehen der Polizei mit Tränengas, Wasserwerfern und Knüppeln an der serbisch-ungarischen Grenze Mittwochnachmittag. Es habe sich um „organisierte Angriffe Bewaffneter“ auf die Polizei gehandelt. Aufnahmen mehrerer Fernsehstationen lassen hingegen erkennen, dass der Tumult ausbrach, als ungarische Sicherheitskräfte das Tor öffneten. Sie wollten damit offenbar einigen Frauen und ­Kindern Durchlass gewähren. Entsprechend wütend reagierten die Menschen dann, als unter dem Einsatz von Tränengas die Grenze wieder dicht gemacht wurde.

Orbán bezeichnete im Rundfunk die Situation als Folge des „selbstmörderischen Liberalismus“, der in Europa „noch“ den Ton angebe.