Die Kochenden Gärten von Steinhöfel

Land entdecken Wo früher einmal Schlossgarten war und dann LPG, wachsen heute alte regionale Gemüsesorten, die vom Aussterben bedroht waren. Von Mai bis Ende September können diese Sorten bei Kochkursen im brandenburgischen Steinhöfel entdeckt werden

Der englische Landschaftsgarten des Schlosses, nebenan wird es kulinarisch spannend Foto: Hohlfeld/imago

Von Michael Pöppl

Das offensichtliche Schmuckstück des Dorfs Steinhöfel ist das schöne klassizistische Schloss mit dem riesigen englischen Landschaftsgarten, im aufwendig sanierten Gebäude ist ein Edelhotel untergebracht. Das andere Schmuckstück liegt nebenan: Der heute üppige und grüne Schlossgarten versorgte einst die Bewohner des Hauptgebäudes mit Obst und Gemüse. Zu DDR-Zeiten gehörte die Landwirtschaft rings um das Schloss zur örtlichen LPG, die mit den alten, weniger ertragreichen Gemüse- und Obstsorten wenig anfangen konnte. Nur die hohen alten Obstbäume aus monarchistischen Zeiten blieben erhalten, während der Garten zunehmend verwilderte und großenteils brachlag.

Im Jahr 2001 nahm sich der Verein „Land Kunst Leben e.V.“ des Geländes an. Künstler aus Brandenburg und Berlin haben seitdem den einstigen Schlossgarten wiederbelebt und dazu mit alten regionalen Gemüsesorten bepflanzt, die vom Aussterben bedroht waren. Der Garten mit seinen Anlagen, Beeten, Büschen und dem Gewächshaus wurde 2002 umgestaltet. Zwischen Frühjahr und Herbst werden seitdem neue Kunstprojekte vorgestellt, wird an den Wochenenden gemeinsam gekocht und gefeiert oder auch im Garten gearbeitet. Man wendet sich mit dem Programm nicht nur an Besucher, sondern bezieht auch die Steinhöfeler mit ein. „Bei allen Projekten“, so Kuratorin Christine Hoffmann von Land Kunst Leben e.V. „geht es uns immer um die Verbindung von Land und Stadt, darum, die Geschichten der Menschen zu erzählen, die hier leben.

Aus dem Verein heraus ist auch das Projekt „Kochende Gärten“ entstanden. Die Idee der Künstler, die alte Obstallee zu erhalten, hatte nicht nur nos­talgische Gründe. Von Anfang an war geplant, die Früchte der alten Sorten weiter zu verwerten. „Das lag nahe“, wie Gerry Kunz, einer der Begründer des Projekts, erzählt, „zugleich wollten wir auch für uns selber wissen, was man daraus alles zubereiten kann.“ Bald begann die Gruppe mit dem Anbau vergessener Gemüsesorten im einstigen Schlossgarten und bot auch Kochkurse für die neugierigen Besucher an. Die nämlich wollten immer häufiger wissen, was denn in den Beeten so Geheimnisvolles wächst.

Von Mai bis Ende September finden seitdem regelmäßige Kochkurse mit Gerry Kunz oder seinen Mitstreitern Kathrin David und Jan Beckmann statt, alle haben ihr Handwerk in der Gastronomie oder als Caterer gelernt. Bis zu zwölf Gäste können an den Kursen teilnehmen, dazu gehört auch eine kleine Führung durch die Gartenanlage. Dabei lernen die Teilnehmer, wie weiße und gelbe Bete, Mangold, Feuerbohnen, Pastinaken oder Topinambur aussehen. Die Besucher dürfen direkt vom Strauch verschiedene seltene gelbe, grüne oder schwarze Tomatensorten probieren. Jede schmeckt anders: mal süß, mal angenehm bitter, mal intensiv fruchtig.

Wie sehen weißeund gelbe Bete,Pastinaken oder Topinambur aus?

Wichtig ist auch: Jeder Teilnehmer packt mit an, denn der größte Teil des saisonal abgestimmten Menüs wird selbst geerntet. Vor dem Kochen geht es also ins Beet: Kürbis und Kräuter ernten für die Suppe, dann blaue Schweden und dunkelviolette Vitelotte ausgraben, so heißen die Kartoffeln für den Hauptgang. „Aus denen können wir ganz fantastische lilafarbene Gnocchi machen“, erklärt Kunz. Auch das Obst für den Nachtisch, ein Apfelgratin mit Streuseln, kommt direkt vom Baum. „Wir ernten aber auch neben den Beeten“, sagt Gerry Kunz lächelnd und empfiehlt, den Giersch und die Vogelmiere am Wegrand zu sammeln, Pflanzen, die bei Gärtnern als wucherndes Unkraut unbeliebt sind: „Das Beste, das Zeug loszuwerden, ist, es zu verkochen, Giersch schmeckt zum Beispiel so ähnlich wie Spinat.“

Nach der Ernte stehen alle gemeinsam beim Schälen und Schnibbeln mitten im Garten neben dem selbst kons­truierten fahrbaren Herd, „unsere sehr gehobene Campingküche“, scherzt Kunz. Nebenbei berichtet der gebürtige Schweizer, wie er bei den älteren Stein­höfelern nach verschollenen Rezepten gefragt und ganz neue Inspirationen fürs Kochen gewonnen hat. Viele der Kräuter, die heute im Salat landen, seien von den Einheimischen nicht mehr verwendet worden, sagt er: „Auch Bekanntes wie Sauerampfer oder Löwenzahn galt als Kriegsküche, dabei sind die meisten Wildkräuter sehr lecker und vitaminreich.“

Fast den ganzen Nachmittag hat das Ernten und Kochen gedauert. Mit vielen „Aahs“ und „Mmmhhs“ wird das selbst zubereitete Essen an der langen Tafel im Freien genossen. Wind kommt auf, die Obstbäume rauschen, ein paar dicke Wolken ziehen näher. „Wenn es zu regnen anfängt, ziehen wir einfach ins Gewächshaus um“, verkündet Kunz. Das beruhigt durchaus, denn an solch einem gesegneten Ort möchte man gern noch ein wenig sitzen bleiben.

Aktuelle Kurse und Informationen unter www.kochende-gaerten.de

Der Verein Land Kunst Leben informiert auf seiner Website:www.landkunstleben.de