Ein Amsterdamerfürs Berlinerische

STADTMUSEUM Kultursenator holt den holländischen Museumsmann Paul Spies als neuen Direktor

„Jeder will nach Berlin, ich auch“

Paul Spies, neuer Stadtmuseums­direktor

Eher verstaubt. Versteckt. Ohne Charisma. Zu Recht oder nicht: Das waren bisher Attribute des Berliner Stadtmuseums. Insofern sitzt am Dienstagmittag im Roten Rathaus ein Gegenentwurf dazu vor den Journalisten. Paul Spies, den der Regierende Bürgermeister und Kultursenator Michael Müller (SPD) als künftigen Museumschef vorstellt, spricht leutselig von „euch“, entschuldigt sich dafür, dass er, obwohl geborener Amsterdamer, wegen deutschsprachiger Eltern nicht mit einer Rudi-Carell-Färbung dienen kann. Und erzählt, wie er als Chef des Amsterdam-Museums, das nach Senatsangaben eines der führenden europäischen Stadtmuseen ist, seit 2009 Besucherzahlen und Einnahmen nach oben trieb – und warum er trotzdem wechselt: „Jeder will nach Berlin, ich auch.“

Müller sitzt gelegentlich schmunzelnd neben ihm und sieht erleichtert aus, von den vielen Kultur-Baustellen der Stadt nun eine weniger zu haben. Eine erhebliche. Nach dem Abgang von Franziska Nentwig war der Posten ein Jahr vakant, der offiziell „Direktor der Stiftung Stadtmuseum – Landesmuseum für Kultur und Geschichte Berlins“ heißt. Spies, ein jünger wirkender 55-Jähriger mit schwarzen Locken, bekommt noch eine Führungsaufgabe: Er soll das Berater- und Kuratorenteam der Eröffnungsausstellung im Humboldt-Forum leiten. Auf die Arbeit mit dessen Gründungsintendant Neil McGregor freue er sich schon: „Der ist ein Held für mich.“

Die Verknüpfung beider Aufgaben spiegelt den Ansatz, den Müller als neuer Regierungschef und Kultursenator erstmals Mitte März im Abgeordnetenhaus öffentlich machte: Die 4.000-Quadratmeter-Ausstellungsfläche Berlins im Schloss, knapp ein Zehntel der Gesamtfläche, nicht mit der einst geplanten Schau „Welt der Sprache“ zu nutzen, sondern Berlin und seine Entwicklung zu thematisieren.

40 Bewerbungen habe es für den Job gegeben, ist von Müller zu hören. Schon am 1. Februar soll Spies komplett in Berlin sein, bis dahin den Übergang im Amsterdam-Museum abwickeln. Bis er dort 2009 Chef wurde, verfolgte das Museum nach seinen Worten die Strategie eines vier Stunden dauernden Rundgangs vom Mittelalter bis zur Gegenwart – „niemand hat das geschafft“, erzählt Spies. Er führte eine dreiviertelstündige Version ein, die sich an Touristen richtet, die sein stadtgeschichtliches Museum zusätzlich zu Amsterdam-Highlights wie Van-Gogh- und Rijks-Museum besuchen. Was gut zur Rolle des Stadtmuseums neben den Touristenmagneten auf der Museumsinsel passt.

Wobei auch die Kurzfassung nicht leicht war: Ein bisschen Mittelalter-Entwicklung brauchte es schon, um zu verstehen, wie Amsterdam so aufblühen und zu seiner heutigen Rolle kommen konnte. Kunstmuseen haben es nach Spies’ Meinung einfacher als geschichtliche Museen: „Man hat eine weiße Wand, hängt Bilder auf und hat eine Kasse.“

Dass das Stadtmuseum auf fünf Standorte verteilt ist – Märkisches Museum, Ephraim-Palais, Knoblauchhaus, Nikolaikirche, Museumsdorf Düppel –, hält Spies anders als der Kultursenator nicht für einen Nachteil. Während Müller von einer „schwierigen räumlichen Situation“ spricht, sieht Spies die Möglichkeit, auf diese Weise verschiedene Gruppen anzusprechen. Geschichte sei für die Gegenwart wichtig. Künftig solle nicht nur das Museum seine Geschichten erzählten, sondern auch die Geschichten seiner Besucher hören. Stefan Alberti