Kampf um die entscheidende Stimme

USA Zwei weitere Senatoren kündigen ihre Zustimmung für das Atomabkommen mit dem Iran an. In New York treffen Gegner und Befürworter des Deals aufeinander

Senator Lindsey Graham (Rep.) protestiert vor dem Büro der Senatorin Kirsten Gillibrand (Dem.) Foto: dpa

Aus New York Dorothea Hahn

Männer mit Kippa stehen sich am Dienstagabend in New York auf einer Straße gegenüber. Auf beiden Seiten argumentieren sie gegen Atombomben und für Frieden. Aber sie mögen sich überhaupt nicht. Auf der westlichen Seite der 3rd Avenue in Manhatten demonstrieren ein paar Hundert Menschen gegen Präsident Barack Obama und den Iran-Deal. Auf dem gegenüberliegenden Bürgersteig stehen mehrere Dutzend, die Obama und den Deal unterstützen.

Sie trennt mehr als eine Straße. Manche Teilnehmer bestreiten sogar, dass die Demonstranten auf der gegenüberliegenden Straßenseite Juden seien. Im günstigsten Fall beschimpfen sie sich gegenseitig als „Zionisten“ (für Gegner des Deals) und „Sektierer“ (für die Befürworter). Zwischen beiden Gruppen tost der Verkehr. Polizisten achten darauf, dass sich die Demonstranten nicht zu nahe kommen.

16 Tage vor Ende der Frist, in der sich der US-Senat zu dem Atomabkommen mit dem Iran äußern kann, steigt die Nervosität in den jüdischen Organisationen der USA.

Am Dienstag erklären zwei der bis dahin noch 13 zögerlichen demokratischen SenatorInnen, dass sie den Deal unterstützen werden. „Wir sind besser dran, wenn wir zuerst die Diplomatie probieren“, sagt Senator Chris Coons aus Delaware. Sein Kollege Bob Casey (Pennsylvania) hat sich auch entschieden: „Das ist die beste Option, die wir gegenwärtig bekommen können.“ Nach Zustimmung der beiden fehlt im Senat nur noch eine Stimme, damit Obamas angekündigtes Veto halten kann. Er will ein mögliches Nein des Senats, in dem die Republikaner die Mehrheit haben, blockieren.

Insider erwarten, dass die fehlende Stimme bis zum Wochenende kommt. Optimisten streben bereits ein neues Ziel an. Gelingt es, neun weitere demokratische SenatorInnen für den Deal zu gewinnen, erübrigt sich sogar das präsidentielle Veto.

Noch vor wenigen Wochen sah es so aus, als könnten sich die GegnerInnen des Abkommens durchsetzen. Nachdem Israels Premierminister Benjamin Netanjahu im Kongress gegen das noch unfertige Abkommen gewettert hatte, machten AIPAC (American Israel Public Affairs Committee) und andere Lobby-Gruppen mit Anzeigen und Werbespots Stimmung gegen das Abkommen.

Doch auch die Befürworter mobilisierten. Die erst 2008 gegründete finanzschwächere und an einer Zwei-Staaten-Lösung interessierte Lobby-Gruppe J-Street schaltete Anzeigen. Hunderte RabbinerInnen appellierten an den Kongress. Und erstmals seit Langem demonstrierten Friedensgruppen nicht gegen, sondern für Obamas Politik.

„Es wird knapp“, sagt Evan Litton zur Abstimmung im Senat. Er demonstriert auf der westlichen Seite der 3rd Avenue. Weil es ein „schlechter Deal“ und der Iran gefährlich sei. Die USA, so glaubt er, wären „stark genug“, den Deal gegen den Willen der anderen Unterhändler platzen zu lassen. „Freunde können schon mal unterschiedlicher Meinung sein“, sagt er.

Beide Seiten argumentieren gegen Atombomben und für Frieden. Aber sie mögen sich gar nicht

Um ihn herum wedeln Demonstranten mit US-Fähnchen und nennen Obama „schwach“. Auf Transparenten drohen sie Senatorin Kirsten Gillibrand, dass sie „nicht vergessen und nicht verzeihen werden“. Und fragen, ob „Tod für Israel“ und „Tod für Amerika“ wirklich schwer zu verstehen sei. Das Büro der New Yorker Demokratin befindet sich an der 3rd Avenue. Anfang August hatte Gillibrand ihre Unterstützung für den Deal zugesagt.

Den Demonstranten geht es darum, die letzten zögernden SenatorInnen der Demokraten zu gewinnen. Der 71-jährige Paul Sternblitz hat früher demokratisch gewählt. Doch damit ist es vorbei. Die Partei sei zu weit nach links gerückt und habe sich aus der Sympathie zu Israel entfernt, meint er. Er fühlt sich von seiner alten Partei wie von Europa im Stich gelassen.

Auf der anderen Straßenseite dankt Ysroel Dovid Weiss dem US-Präsidenten euphorisch. Denn der habe die Welt dem „Frieden und der Harmonie einen Schritt näher gebracht“. Für den 58-jährigen Rabbiner, der die kleine Gruppe Neturei leitet, ist nicht der Iran das Problem, sondern der Zionismus. Den betrachtet er als „gefährlich für Juden“, weil er Hass säe und von Gott ablenke.

Ein Laster mit der plakativen Aufschrift „Ajatollah dankt Amerika“ unterbricht den Rab­biner. Er rollt langsam zwischen den beiden Demonstrationen hindurch. Der Laster gehört dem Politiker Dov Hikind, der gegen das Abkommen ist. Zuletzt parkte der Wagen immer wieder demonstrativ vor Büros von Befürwortern des Deals.