Gegen Kollegen kein Prozess

JUSTIZ Einem Richter wird Strafvereitelung zugunsten des „Todespflegers“ Niels H. vorgeworfen – angeklagt werden soll er aber nicht

Im Fall des als „Todespfleger“ bekannt gewordenen Niels H. hält sich die Staatsanwaltschaft Osnabrück die Möglichkeit eines Prozesses gegen einen Ex-Kollegen aus Oldenburg offen. „Gegen die Nichtzulassung unserer Anklage haben wir fristgerecht Beschwerde eingelegt“, sagte der Osnabrücker Staatsanwalt Christian Bagung gestern der taz.

Die Osnabrücker werfen dem einstigen Oberstaatsanwalt, der heute als Richter am Landgericht Oldenburg arbeitet, Rechtsbeugung und Strafvereitelung im Amt vor: Über Jahre soll er Ermittlungen gegen den mittlerweile wegen mehrfachen Mordes verurteilten H. verschleppt haben.

Der ehemalige Krankenpfleger an Kliniken in Delmenhorst und Oldenburg hat eingeräumt, aus Geltungssucht dutzenden Patienten Medikamente gespritzt zu haben, die potenziell tödliche Herzrhythmusstörungen zur Folge hatten. Bei den folgenden Wiederbelebungen habe er sich dann profilieren wollen.

Dem Geständnis gingen massive Ermittlungsfehler voraus: Schon 2005 liefen Untersuchungen wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung. Trotzdem konnte H. bis 2009 weiter in seinem Beruf arbeiten – und hatte vier Jahre lang Gelegenheit zu weiteren Morden. Verurteilt wurde H. dann zunächst nur wegen einer einzigen Tat. Noch im Februar räumten Vertreter der Oldenburger Justiz deshalb „Pannen und Verzögerungen“ ein.

Keinerlei Verständnis haben Verwandte der Opfer da für die Entscheidung des Oldenburger Landgerichts, keinen Prozess wegen Strafvereitelung gegen den ehemals ermittelnden Oberstaatsanwalt führen zu wollen: „Dass Oldenburger Richter eine Anklage gegen einen anderen Oldenburger Richter nicht zulassen, stinkt doch zum Himmel“, sagt der Sprecher der Angehörigen, Christian Marbach, der taz. Auch Opfer-Anwältin Gaby Lübben erklärte, die Entscheidung sei „menschlich nicht nachvollziehbar“ und gefährde „das Vertrauen in die Rechtspflege“. WYP