Frust statt Frieden für die Elfenbeinküste

Die Umsetzung des neuen UN-Friedensplans kommt nicht voran: Frühestens nächste Woche gibt es einen Premier

Die einfachen Menschen in Abidjan trauen den politischen Kalkülen nicht mehr

ABIDJAN taz ■ In der kriselnden Elfenbeinküste ist die Entscheidung über die künftige Regierung bis auf weiteres vertagt. Eigentlich hätte laut UN-Resolution 1633 schon Anfang dieser Woche ein neuer Premierminister mit weitreichenden Machtbefugnisse an die Seite von Präsident Laurent Gbagbo gestellt werden sollen, der nach dem Ablauf seiner regulären Amtszeit nur noch mit eingeschränkten Befugnissen im Amt bleibt. Nun deutet sich an, dass die Ernennung dieses Premierministers frühestens nächste Woche erfolgt, wenn die als Vermittler vorgesehenen Präsidenten von Nigeria und Südafrika in der Elfenbeinküste erwartet werden. So regiert Gbagbo vorerst weiter wie vorher.

Die Schwierigkeit bei der Umsetzung des UN-Friedensplans besteht weniger darin, einen neuen Premier zu benennen. Ein westlicher Diplomat sagt, dass die Person nicht im Konsens gefunden werden kann, wie es die UN-Resolution eigentlich vorgibt, sondern von Nigeria und Südafrika bestimmt werden wird. Wer diese Entscheidung dann nicht akzeptiert, dem drohen dann Sanktionen.

Die eigentliche Schwierigkeit besteht im Verhalten der verfeindeten politischen Lager. Präsident Gbagbo wird in den vergangenen Tagen verstärkt mit der Aussage zitiert, dass kein Abkommen und kein UN-Beschluss die Verfassung außer Kraft setzen darf. Und darin ist die Machtverteilung zwischen Präsident und Premier klar zugunsten des Präsidenten geregelt. Die Rebellen, die die Nordhälfte der Elfenbeinküste beherrschen, haben ihrerseits eigenmächtig ihren politischen Führer Guillaume Soro zum neuen Premier ausgerufen.

„Das war mehr Taktik und auch nicht richtig mit den Bündnispartnern abgesprochen“, meint Moussa Touré von der unabhängigen Tageszeitung Nord-Sud. „Aber es scheint alles auf eine Nominierung von Soro auch durch das zivile Oppositionsbündnis hinauszulaufen.“ Mit Ausnahme der einstigen Staatspartei PDCI, deren Führer und Expräsident Henri Konan Bédié selbst politische Ambitionen hat, sollen alle wesentlichen politischen Oppositionsparteien inzwischen Soros Kandidatur unterstützen.

Da Gbagbo Präsident bleibt, so die Überlegung, bedarf es zur Wahrung des politischen Gleichgewichts für den Posten des Premiers eines Vertreters aus dem Oppositionslager. Einen vermeintlichen neutralen Konsenskandidaten wie den jetzigen Premier Seydou Diarra, den niemand wirklich unterstützt, sehen viele als Garantie neuer Blockaden. Doch auch Rebellenchef Soro als Premierminister wäre für Gbagbos „patriotische“ Anhänger inakzeptabel.

In Erwartung einer Entscheidung ist die Forderung der Opposition nach sofortigem Rücktritt des Präsidenten in den Hintergrund gerückt. Der 31. Oktober, Datum des Endes der offiziellen Amtszeit Gbagbos und dem angekündigten Widerstand gegen seinen Verbleib, verstrich ohne größere Zwischenfälle. Mit Blick auf den Premierministerposten wollte die Opposition den Protest nicht eskalieren lassen.

Aber die einfachen Menschen in Abidjan trauen diesen politischen Kalkülen nicht mehr. Seit Jahren befindet sich die ivorische Wirtschaft im freien Fall. Täglicher ökonomischer Überlebenskampf hat auch in der zuvor verhältnismäßig reichen Elfenbeinküste Einzug erhalten. Nur mit Mühe konnten die Veranstalter einer Großkundgebung der Opposition ihre Anhänger am vergangenen Sonntag vom Marsch auf den Präsidentenpalast abhalten. Je länger die politische Ungewissheit nun angedauert, desto mehr wird die Bevölkerung der Politik Versagen vorwerfen. Dann werde der Ruf nach einem Staatsstreich gegen die zum Frieden offensichtlich unfähigen politischen Klasse noch lauter, meint der Journalist Moussa Touré sagt. Wenn nicht die internationale Gemeinschaft durchgreife, bis hin zur Zerschlagung von Milizen. HAKEEM JIMO