Schlank, effizient und verfassungswidrig

MITBESTIMMUNG Die Regierungskoalition will das Petitionsrecht effizienter gestalten. Kritiker sprechen derweil von der Aushöhlung dieses in der Verfassung festgeschriebenen Bürgerrechts

Recht auf Petition

Laut Grundgesetz haben alle BürgerInnen das Recht, sich mit Bitten und Beschwerden an die Volksvertretung zu wenden.Weiteres regelt das Landesrecht.

Petitionen können auf dem Postweg oder in Bremen seit 2009 auch online auf den Weg gebracht werden.

So sollen Petitionsausschüsse einen niedrigschwelligen Zugang der Bevölkerung zur Politik ermöglichen. Sie sind mit Nachforschungsrechten ausgestattet.

Formale und inhaltliche Bedingungen der Gesuche regelt das Petitionsgesetz. Dazu gehört auch die Möglichkeiten, sie abzuweisen.

Der rot-grüne Koalitionsvertrag sieht vor, die Richtlinien zu überarbeiten, um das Verfahren effizienter zu gestalten.

Die „Vereinigung zur Förderung des Petitionsrechts in der Demokratie“ setzt sich seit rund 30 Jahren für eine Verbesserung des Petitionsrechts ein.

Mit Bitten und Beschwerden von der Volksvertretungen angehört zu werden, ist ein Bürgerrecht. Viele Hundert BremerInnen machen davon jährlich Gebrauch und halten den Petitionsausschuss auf Trab. Der rot-grüne Koalitionsvertrag sieht vor, das Petitionsgesetz effizienter zu gestalten und es zu einem „echten, verlässlichen Einwirkungsinstrument“ zu machen. Kritiker wie die Bremer „Vereinigung zur Förderung des Petitionsrechts in der Demokratie“ sind über die geplante Gesetzesänderung entsetzt. Von einer „Aushöhlung der Verfassung“ spricht der Vereinsvorsitzende Reinhard Bockhofer.

Ein Großteil der eingehenden Beschwerden betrifft städtische Bauvorhaben. Den langwierigen Prozessen der Baudeputation stehen kurzfristige und an keine Fristen gebundene Petitionen entgegen. Und nicht selten kommen Petitionsausschuss und Entscheidungsträger zu widersprüchlichen Ergebnissen. Um das zu vermeiden, sieht die Gesetzesänderung nun vor, entsprechende Petitionen direkt an die entsprechenden parlamentarischen Stellen weiterzuleiten.

Sie sollen sich also heraushalten. Und das ganz im Sinne der Betroffenen: Enttäuschungen wolle man vermeiden, so die Begründung des Gesetzesentwurfs. Kurios sei das, sagt Bockhofer – Petenten seien schließlich erwachsene Menschen „und können so was schon aushalten“. Nach Einschätzung seines Vereins geht es bei der politischen Entscheidung vielmehr darum, umstrittene Bausachen „störungsfrei entscheiden zu können“.

Schon jetzt delegiert der mit elf Abgeordneten besetzte Petitionsausschuss viele eingehende Anliegen. Quer durch die Senatsressorts wird da etwa die Überprüfung von Schwangerschaftsberatungsstellen angemahnt, oder die Aufhebung des Tanzverbots an Feiertagen gefordert.

All dem selbst nachzugehen, ist in der Praxis nicht möglich – das räumt auch Bockhofer ein. Allerdings: Als Kon­troll­instanz habe der Ausschuss das Recht und die Pflicht nachzubohren. Das sei eine Sicherungsfunktion für die Freiheit der Meinungs- und Willensbildung des Volkes. Das neue Gesetz würde die praktischen Defizite zementieren.

So auch dort, wo Petitionen in schwebende Gerichtsverfahren eingreifen. Nach neuem Recht dürfe in solchen Fällen keine Beschlussempfehlung des Ausschusses erfolgen. Auch wenn das schon jetzt kaum passiere, sei ein grundsätzliches Ausschließen verfassungswidrig, sagt Bockhofer.

Die Bürgerschaft wird über das Gesetz abstimmen – und zwar dagegen, hoffen die Petitionsrechler. Um dafür zu sorgen, haben sie neben ihrer Stellungsnahme auch gleich öffentlichen Protest eingelegt – so, wie sie es in der Demokratie für richtig und wichtig erachten: als Petition.

Jan-Paul Koopmann